Spielanalyse

Arrigo Sacchis AC Milan – die Pressingmaschinen

Wie die Rossoneri den modernen Fußball prägten.

Teamfoto vom AC Mailand 1989.
  1. Marius Fischer

    Marius Fischer, Redakteur der DFB-Trainerzeitschrift „Fußballtraining“, analysiert Qualitätsmerkmale im internationalen Fußball. Nebenbei ist er als Spielanalyst bei Viborg FF in der dänischen Superliga tätig.

In unserer neuen Serie werfen wir einen Blick in die Vergangenheit und analysieren die besten Teams, Spieler und Trainer der letzten 50 Jahre. Den Anfang macht der AC Milan in den Jahren 1987-1991 unter Arrigo Sacchi, der das Team mit einem besonderen Spielstil an die Spitze des europäischen Fußballs führte.

Erfolgreiche Jahre

Sacchis Zeit beim AC Milan war geprägt von Titeln – insgesamt gewann man in den vier Jahren acht Pokale – dazu zwei Mal in Folge den Europokal der Landesmeister, das Pendant zur heutigen Champions League. Sacchi gewann in dieser Zeit 108 von 196 Spielen – seine Mannschaft holte im Schnitt 1.95 Punkte pro Spiel. Die folgende Grafik liefert eine Übersicht über alle Titel, die der AC Milan in den Jahren 1987-1991 erreichen konnte.

Hohes Risiko – hoher Ertrag

Arrigo Sacchi legte mit seinem Spielstil den Grundstein für den modernen Fußball und gilt als einer der Erfinder des ballorienterten Pressings. Der AC Milan praktizierte dies in einer besonders aggressiven und risikoreichen Form. Aus einer 4-4-2 Grundformation heraus, gerade in Italien zur damaligen Zeit unüblich, war das Pressing von Milan vor allem auf eine enorme "Raumverknappung" ausgelegt. Sowohl horizontal als auch vertikal agierte Milan maximal eng und kompakt. Die eigentliche defensive Grundordnung wurde durch den hohen Fokus auf das ballorientierte Verschieben und Einrücken zumeist ignoriert. Dadurch konnte auf den ballführenden Spieler ein permanenter Druck ausgeübt werden. Diese extreme Form des Verteidigens war möglich, da es damals noch kein passives Abseits gab und auch die Abseitsstellung von ballfernen Spielern strafbar waren. Dennoch war dieser Spielstil sehr risikoreich und konnte bei nicht perfekter Ausführung zu einfachen Gegentoren führen.

    1. Nach einem Abpraller erhält der gegnerische zentrale Mittelfeldspieler (ZM) den Ball. Milans Spieler rücken im Kollektiv ballorientiert nach vorne.

    2. Der ZM spielt einen Chippass aus den Außenstürmer (AS). Auf Grund der hohen Position der ballfernen Spieler wird auf Abseits entschieden.

Schnelles Umschaltspiel

Offensiv überzeugte der AC Milan durch ein schnelles, vertikales Umschaltspiel. Durch das aggressive Pressing konnte man regelmäßig Ballverluste erzwingen, die man für schnelle Konter und Torabschlüsse nutzte. Gewann Milan den Ball, fächerten die Offensivspieler sofort auf und starteten Tiefenläufe hinter die gegnerische Abwehrkette. Durch die hohe individuelle Qualität im Kader konnten die Rossoneri diese Gleich- oder sogar Überzahl zumeist sehr effektiv ausspielen und mit Schnittstellenpässen viele 1-gegen-1-Situation gegen den Torhüter erzielen.

    1. Baresi fängt in der Zentrumsspur den Ball ab und dribbelt nach vorne an.

    2. Baresi spielt einen Schnittstellenpass in den Lauf von Mannari.

    3. Mannari umdribbelt den Torhüter und schießt den Ball ins Tor.

Die Schlüsselspieler

Obwohl Milans Kader unter Sacchi fast ausschließlich aus einheimischen Spielern bestand, waren es ausgerechnet die wenigen Legionäre, die vor allem offensiv den Unterschied ausmachten. Die drei Niederländer Frank Rijkaard, Ruud Gullit und Marco Van Basten gehörten zu der Zeit zu den besten Fußballern der Welt und gewannen 1988 zusätzlich mit der Nationalmannschaft die Europameisterschaft. Ihre individuelle Qualität und ihr harmonisches Zusammenspiel waren ein Schlüssel zum Erfolg – vor allem in engen Spielen, in denen Milans Pressing nicht ganz so effektiv funktionierte. Während Rijkaard und Gullit mit ihrer Physis und Schnelligkeit perfekt in das intensive Spiel von Milan passten, war Van Basten durch seine hervorragende Ballkontrolle, seine Kopfballstärke und seinen guten Torabschluss genau der richtige Stürmer im System von Sacchi.

    1. Rijkaard spielt aus der rechten Halbspur einen Flugball auf ...

    2. ... Gullit, der den Ball mit dem Kopf auf Van Basten ablegt.

    3. Van Basten schießt den Ball aus zentraler Position kraftvoll ins Tor.

Foto von Gullit, Van Basten und Rijkaard.
Foto von Gullit, Van Basten und Rijkaard.
Den Fußball geprägt

Der AC Milan unter Arrigo Sacchi hat mit seiner Spielweise und dem 4-4-2-System den modernen Fußball geprägt. Zwar wäre das extreme und aggressive Pressing in der heutigen Zeit in dieser Form nicht mehr möglich – dennoch sind das ballorientierte Verteidigen, das Einrücken der Außenverteidiger, die Raumverknappung und auch die Abseitsfalle zu wichtigen Basiselementen im Spiel gegen den Ball geworden. Die Tatsache, dass Sacchi vor seiner Trainerkarriere nie selber professionellen Fußball gespielt hat, war zur damaligen Zeit unüblich und inspirierte ihn zu seinem wohl bekanntesten Zitat.

Ich habe nicht gewusst, dass man erst ein Pferd gewesen sein muss, um Jockey zu werden.
Arrigo SacchiDamaliger Trainer des AC Milan
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