Spielanalyse

Das Champions League Finale 2024

Wie sich Real Madrid gegen Borussia Dortmund den 15. Titel in der Königsklasse sicherte

Real Madrids Toni Kroos jubelt mit der Trophäe.
  1. Marius Fischer

    Marius Fischer, Redakteur der DFB-Trainerzeitschrift „Fußballtraining“, analysiert Qualitätsmerkmale im internationalen Fußball. Nebenbei ist er als Spielanalyst bei Viborg FF in der dänischen Superliga tätig.

Sechs Mal in den vergangenen elf Jahren gewannen die Madrilenen die Champions League – eine herausragende Leistung. Der diesjährige Erfolg stellt darüber hinaus ein weiteres Novum dar: Zum ersten Mal blieb ein Team das gesamte Turnier über ungeschlagen (sieben Siege und drei Unentschieden). Gegen Borussia Dortmund gerieten die Königlichen früh unter Druck, gelangten am Ende durch ein Eckballtor jedoch auf die Siegerstraße.

Vergebene Chancen

Beide Mannschaften gingen mit den zu erwartenden Aufstellungen und Formationen ins Spiel, wobei die Borussia aus Dortmund sich in der ersten Halbzeit überraschend ein deutliches Chancenplus erspielen konnte. Das Expected-Goals-Verhältnis von 1.88 zu 0.07 aus Sicht der Westfalen zeigt die klare Überlegenheit in der ersten Spielhälfte. Vor allem durch Schnittstellenpässe hinter die Abwehrkette und mit schnellen Kontern sorgte der BVB immer wieder für Gefahr. Im Spielaufbau, eigentlich eine "Problemstelle" in der abgelaufenen Bundesligasaison, agierten die Dortmunder sehr mutig und wurden dafür mit einigen schön herausgespielten Durchbrüchen in den Halbraum belohnt.

Das Momentum-Chart zeigt an, welche Mannschaft die einzelnen Spielphasen "dominiert" hat.
    1. Torhüter Kobel passt zu Ryerson.

    2. Ryerson passt auf den entgegenkommenden Sancho, ...

    3. ... der auf Can klatschen lässt, der einen linienbrechenden Pass zu Sabitzer spielt.

    4. Sabitzer hat viel Raum vor sich zum Andribbeln.

    1. Hummels dribbelt an ...

    2. ... und spielt einen Schnittstellenpass in den Lauf von Adeyemi.

    3. Adeyemi umdribbelt den Torhüter, ...

    4. ... sein Schuss verfehlt jedoch aus spitzem Winkel das Tor.

    1. Maatsen erobert den Ball, dribbelt an ...

    2. ... und spielt einen Schnittstellenpass auf Füllkrug, ...

    3. ... dessen Schuss gegen den Innenpfosten prallt.

Fehlendes Tempo im letzten Drittel

Doch trotz der klaren Chancenunterlegenheit in der ersten Halbzeit zeigte sich auch Real Madrid im Spielaufbau durchaus effektiv und konnte einige Male die erste Pressinglinie des BVB überwinden – vor allem die zentrale Achse um Camavinga und Kroos harmonierte hierbei sehr gut. Das fehlende Tempo in den Anschlussaktionen und die hervorragende Rückwärtsbewegung der Dortmunder ließen die Angriffe jedoch zumeist verpuffen und zwangen Real zu Rückpässen statt gefährlichen Strafraumaktionen.

    1. Nacho passt zu Kroos.

    2. Kroos passt in die Zentrumsspur zu Camavinga.

    3. Camavinga leitet den Ball auf Valverde weiter, der in die linke Außenspur ...

    4. ... zu Vinicius Jr spielt. Der BVB stellt sofort eine Überzahl in Ballnähe her.

    1. Kroos spielt einen scharfen Pass zu Camavinga, ...

    2. ... der in die linke Halbspur zu Bellingham passt.

    3. Bellingham bricht den Angriff ab und dribbelt zurück, da der BVB schon wieder geschlossen hinter dem Ball steht.

Erst passiv, dann aktiv

Trotz der unterlegenen ersten Halbzeit entschied sich Trainer Carlo Ancelotti zunächst für einen passiveren Ansatz gegen den Ball. In den ersten 15 bis 20 Minuten nach der Pause verteidigte Real sehr tief im 4-5-1 und attackierte den Ballführenden oft erst weit in der eigenen Hälfte. Durch diese Kompaktheit nahmen sie dem BVB die Schnittstellenpässe und Umschaltmomente aus der ersten Halbzeit – trotz steigender Ballbesitzzahl kam Dortmund in dieser Phase kaum noch zu Torabschlüssen. Aus dieser defensiven Stabilität heraus kreierte Real immer häufiger eigene Umschaltmomente und 1-gegen-1-Situationen der Flügelspieler, die zu einigen Torschüssen und Eckbällen führten, und das "Momentum" langsam auf die Seite der Spanier "führte".

    1. Real Madrid verteidigt im tiefen 4-5-1. Schlotterbeck kann ohne Gegnerdruck andribbeln ...

    2. ... und einen Diagonalpass auf Ryerson schlagen.

    3. Dieser wird jedoch sofort in der Außenspur von zwei Spielern zugestellt.

    1. Schlotterbeck passt zu Maatsen.

    2. Real verteidigt im tiefen 4-5-1, so dass Maatsen in der gegnerischen Hälfte andribbeln und einen Diagonalpass zu Ryerson spielen kann.

    3. Dieser wird jedoch sofort zugestellt.

Entscheidender Eckball

Einer dieser Eckbälle führte letztlich zum Führungstreffer. Toni Kroos schlägt die Flanke an den ballnahen Pfosten, wo Rechtsverteidiger Dani Carvajal den Ball ins ballferne Eck köpft. Dieselbe Variante versuchte Real bereits bei den vorherigen zwei Ausführungen (warum diese so effektiv ist, haben wir in unserer EM-Vorschau analysiert). Nach dem Treffer stieg bei Real Madrid das Selbstvertrauen und die Mannschaft drückte auf die Entscheidung, die kurz vor Spielende durch das 2:0 von Vinicius Junior gelang.

/
Fazit

Der BVB hatte vor allem in der ersten Halbzeit genügend Chancen, um mit einem oder sogar zwei Toren in Führung zu gehen. In der zweiten Spielhälfte hat Real Madrid seine volle Stärke gezeigt, in dem es den Dortmundern ihre Umschaltmomente genommen und anschließend per Standardsituation eiskalt zugeschlagen hat. Die anschließenden Wechsel von Trainer Ancelotti haben zusätzlich dafür gesorgt, dass die Mannschaft nach dem Führungstreffer die volle Spielkontrolle hatte und sogar noch das 2:0 erzielen konnte.

Sie waren besser in der ersten Halbzeit. Sie hatten das Spiel, was sie haben wollten – Verteidigen und Kontern. Danach waren wir besser im Spiel.
Carlo AncelottiTrainer von Real Madrid
Weiterführende Links

Weitere Spielanalysen