Spielanalyse

Durchbruch in der Außenspur – drei Lösungsmöglichkeiten

Wie spielen die europäischen Topteams Situationen in der Außenspur aus?

Kvaratskhelia vom SSC Neapel bei einer Flanke.
  1. Marius Fischer

    Marius Fischer, Redakteur der DFB-Trainerzeitschrift „Fußballtraining“, analysiert Qualitätsmerkmale im internationalen Fußball. Nebenbei ist er als Spielanalyst bei Viborg FF in der dänischen Superliga tätig.

Vor allem gegen tiefstehende Gegner ist es schwierig, Tempo in die Angriffsaktionen zu bekommen. Häufig wird von einer Außenspur in die andere verlagert. Wir zeigen drei Optionen, trotz fehlender nomineller Überzahl Torchancen aus der Außenspur heraus zu kreieren.

Kompakte Defensive

Die meisten Mannschaften definieren sich in der Defensive heutzutage über ein kompaktes Zentrum. Im Pressing wird der Gegner möglichst in die Außenspuren gelenkt – Pässe ins Zentrum sollen verhindert werden. Im Abwehrpressing wird anschließend durch kollektives Verschieben aller Mannschaftsteile Gleich- oder sogar Überzahl in der Außenspur hergestellt. Dadurch entstehen für die angreifende Mannschaft auch nach Verlagerungen nur wenig Räume für Durchbrüche. Um trotzdem in den Strafraum einzudringen und sich Torchancen herauszuspielen, benötigen Teams daher clevere Abläufe und Laufwege.

Tiefenläufe

Herrscht in der Außenspur Gleichzahl, benötigt es dynamische Bewegungen und Läufe der angreifenden Mannschaft, um die Defensive zu überspielen. Häufig finden sich Außenverteidiger, Achter und Flügelspieler im Zusammenspiel wieder. Durch explosives Hinter- oder Vorderlaufen in Kombination mit präzisen Schnittstellenpässen können kleinräumige 3-gegen-3 oder 4-gegen-4-Duelle gelöst werden. Positionsrochaden und eine schnelle Passzirkulation können zusätzlich dabei helfen, die Verteidiger aus dem Konzept zu bringen, so dass der anschließende Tiefenlauf im Optimalfall zu spät oder gar nicht aufgenommen wird.

    1. Zielinski passt in die linke Außenspur zu Kvaratskhelia, ...

    2. ... der auf den nachgerückten Mário Rui passt.

    3. Mit dem Pass startet Kvaratskhelia einen Tiefenlauf hinter die gegnerische Kette und wird von Mário Rui angespielt.

    4. Kvaratskhelia flankt auf Osimhen, der zu einer guten Torchance kommt.

    1. Nacho spielt einen Doppelpass mit Rodrygo und passt anschließend zu Carvajal.

    2. Rodrygo startet einen Tiefenlauf und wird von Carvajal angespielt.

    3. Rodrygo passt in den Lauf von Vinícius Junior, der aus kurzer Distanz ein Tor erzielt.

Rückpass und Halbfeldflanke

Stellt der Gegner eine Gleichzahl oder sogar Überzahl in der Außenspur her, entsteht häufig ein Raum in der Halbspur. Zunächst werden ein oder mehrere Gegenspieler durch ein Dribbling oder eine Passstaffette in der Außenspur gelockt und gebunden, ehe ein Rückpass in die Halbspur gespielt wird. Aus dieser Position heraus besteht die Möglichkeit zur Halbfeldflanke, zum Dribbling nach innen oder zur Verlagerung in die Zentrumspur mit anschließendem Torabschluss.

    1. Zinchenko passt in die linke Außenspur zu Martinelli, ...

    2. ... der in Richtung Strafraum dribbelt und zwei Gegenspieler auf sich zieht.

    3. Martinelli passt in die Halbspur zurück zu Zinchenko, ...

    4. ... der eine Halbfeldflanke auf Havertz schlägt.

    1. Müller passt in die Außenspur zu Sané, der in Richtung Strafraum andribbelt.

    2. Sané passt in die Halbspur zu Kimmich, ...

    3. ... dessen Halbfeldflanke Kane im Strafraum per Kopf verwertet.

Dribbling plus Cutback

Verfügt eine Mannschaft über einen Spieler mit hervorragenden Dribblingfähigkeiten im 1 gegen 1, kann eine statische Situation in der Außenspur auch durch eine Einzelaktion aufgelöst werden. Dafür wird zunächst durch ein eher langsames Dribbling mit enger Ballführung der Abstand zum gegnerischen Strafraum verkleinert, ehe mit einer plötzlichen Tempoverschärfung am Gegenspieler vorbeigedribbelt wird, um Raum für eine Flanke oder einen flachen Cutback zu bekommen.

    1. Doku dribbelt in der linken Außenspur langsam in Richtung Strafraum.

    2. Mit einer plötzlichen Tempoerhöhung dribbelt Doku an seinem Gegenspieler vorbei, dringt in den Strafraum ein, ...

    3. ... und spielt einen Cutback zu Álvarez, ...

    4. ... der mit dem ersten Kontakt ein Tor erzielt.

    1. Barkola passt in die Außenspur zu Mbappé, der mit der Ballannahme zum Tempodribbling ansetzt.

    2. Mbappé passt in den Rückraum zu Kolo Muani, ...

    3. ... der per volley aufs Tor schießt.

U-Form vermeiden

Bereits jetzt fällt auf, dass es besonders die europäischen Topteams sind, die statische Situationen in der Außenspur kreativ und zielstrebig lösen und dadurch immer wieder zu guten Torchancen kommen. Existieren keine Automatismen und entstehen keine Durchbrüche, kommt es bei Mannschaften häufig zum "endlosen Verlagern" – hier spricht man oft vom Spielen in der "U-Form", da der Ball immer wieder im Halbkreis über die Halb- und Zentrumspur in die jeweils andere Außenspur wechselt, ohne dabei für Torgefahr oder Penetration zu sorgen.

Jérémy Doku hat besondere Fähigkeiten als Außenspieler. Er kann dribbeln, passen, flanken – damit hat er einen großen Einfluss aufs Spiel.
Pep GuardiolaTrainer von Manchester City
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