Spielanalyse

Arsenal FC – die Standardexperten

Das Ass im Ärmel der Gunners

Saka bei der Ausfuehrung einer Ecke.
  1. Marius Fischer

    Marius Fischer, Redakteur der DFB-Trainerzeitschrift „Fußballtraining“, analysiert Qualitätsmerkmale im internationalen Fußball. Nebenbei ist er als Spielanalyst bei Viborg FF in der dänischen Superliga tätig.

Sieben Spieltage vor Saisonende führen die Nordlondoner die Premier League an. 75 Tore erzielten sie in 21 Spielen – 18 davon resultierten aus Standardsituationen. Der mit Abstand höchste Wert der Liga.

Ein (neuer) Standardtrainer bringt den Erfolg

Der Kopf hinter diesem Erfolg ist der Standardtrainer Nicolas Jover. Der in Deutschland geborene Franzose wechselte 2021 zu den Gunners und hat seitdem für eine stetige Verbesserung bei ruhenden Bällen gesorgt. Bereits in seiner ersten Spielzeit steigerte er die Tore nach Eckbällen, Freistößen und Einwürfen von sechs auf sechszehn. Überraschend ist dieser Erfolg vor allem, weil Arsenals Kader nicht zwingend für Standardsituationen zusammengestellt wurde. Zwar stehen im Kader mit Kai Havertz oder den Innenverteidigern William Saliba und Gabriel einige kopfballstarke Spieler – ansonsten besteht die Mannschaft aber eher aus spielstarken Technikern. Dennoch hat Jover offensiv und defensiv die richtigen Taktiken gefunden, Arsenal zur besten Standardmannschaft des Landes zu machen.

Nicolas Jover (vorne) und Cheftrainer Mikel Arteta (rechts) kennen sich bereits aus ihrer gemeinsamen Zeit bei Manchester City.
Defensiv

Nicht nur offensiv dominiert Arsenal bei Eckbällen – auch defensiv sind nur fünf Gegentore ein Topwert. Dabei beteiligen sich alle beim Verteidigen: Zehn Feldspieler befinden sich bei Ausführung des Eckballs im eigenen Strafraum. Dabei setzt Arsenal auf eine Vier-Mann-Zonenverteidigung. Die restlichen Spieler agieren als Manndecker oder sichern den Rückraum bzw. eine kurze Ausführung ab. Eine wichtige Rolle spielt auch Torhüter Raya, der beim Abfangen von hohen Hereingaben sehr sicher agiert.

    1. Die vier markierten Spieler agieren in der Zone, der Rest als Manndecker. Martinelli deckt die kurze Ausführung ab.

    2. Die Zonenspieler blocken Tomiyasu frei, der den Ball per Kopf klärt.

    1. Die vier markierten Spieler sichern die Zone. Der Rest agiert in der Manndeckung. Saka und Jesus sichern die kurze Ausführung bzw. den Rückraum ab.

    2. Die Hereingabe wird von Zonenspieler Saliba per Kopf geklärt.

Offensiv

14 der 18 Standardtore resultierten aus Eckbällen. Hier agiert Arsenal sehr flexibel, einige Prinzipien tauchen jedoch immer wieder auf. Auffällig ist, dass Arsenal zumeist den ballnahen Pfosten anvisiert. 43 Prozent aller Ecken landen in dieser Zielzone. Dabei nutzt Arsenal fast auschließlich "Inswingers" – Flanken also, die zum Tor hingezogen werden. 98 Prozent der Ecken wurden so getreten. Dazu passt, dass Arsenal den Fünfmeterraum so sehr wie keine andere Mannschaft in der Premier League füllt. Im Schnitt positionieren sich 3,3 Spieler im Torraum und sorgen dadurch für zusätzlichen "Stress" für den gegnerischen Torhüter. Um ihre besten Kopfballspieler in Position zu bekommen, nutzt Arsenal klassische "Blocker", die Gegenspieler aus dem Spiel nehmen sollen. Die Gunners agieren dabei sehr clever und verursachen nur selten Fouls.

    1. Rice schlägt die Ecke mit Zug zum Tor. Gabriel ist am ballfernen Pfosten positioniert.

    2. Durch einen Block von Havertz kommt Gabriel frei zum Kopfball und erzielt ein Tor.

    1. Saka schlägt die Ecke mit Zug zum Tor. Saliba startet zum ballfernen Pfosten. Sein Laufweg wird freigeblockt.

    2. Ungedeckt kann Saliba so zum Kopfball kommen.

Bewusstes Spiel auf Eckbälle?

Teilweise treibt Arsenal die Stärke bei Standards so auf die Spitze, dass es in einigen Angriffen so aussieht, als würden die Gunners ausschließlich einen Eckball provozieren wollen. Denn auch bei der Anzahl der Eckbälle ist Arsenal mit 7,4 pro Spiel top. 

    1. Martinelli passt in der linken Aussenspur zu Havertz.

    2. Trotz einer Zwei-gegen-Vier-Situation im Strafraum mit wenig aussichtsreichen Positionierungen versucht Havertz, zu flanken. Der Verteidiger fälscht den Ball zum Eckball ins Toraus ab.

Regression zur Mitte

Arsenals Gefahr bei Standardsituationen war ein Schlüssel des bisherigen Erfolgs in dieser Saison und könnte sich als entscheidend im Kampf um den Titel herausstellen. Allerdings ließ sich in den letzten Wochen eine leichte Regression zur Mitte feststellen: In den vergangenen fünf Spielen erzielten die Nordlondoner keinen Treffer nach einem ruhenden Ball. Denn der Expected-Goals-Wert zeigt, dass Arsenal etwas überperformt hat in den Wochen zuvor: Die 18 Tore resultierten aus einem xG-Wert von knapp 11.

Es ist letztlich nichts anderes als das, was wir auch im offenen Spiel machen: Offensiv ist es wie eine Abschlussaktion und defensiv ist es eine Art des tiefen Verteidigens.
Mikel Arteta – Trainer von Arsenal FCüber Standardsituationen
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