Podcast mit Dino Toppmöller

Belastbarkeit und emotionale Stabilität

Aufgenommen wurde die Folge am 07.02.2024

  1. Trainer*innen bleiben auch unter hoher Belastung und bei Widerständen und Stress handlungskompetent und fühlen sich der Situation gewachsen.

Dino Toppmöller über …

… Attribute guter Trainer*innen 

Trainer*innen benötigen eine gute Fach- und eine gute Sozialkompetenz. Das sind für mich die zwei Hauptkompetenzen. Wenn du diese beiden zumindest so beherrschst, dass dich deine Mannschaft akzeptiert, dann ist das schon sehr viel wert. Was du als Trainer*in können musst, ist sehr vielschichtig. Am Ende geht es natürlich nicht einfach nur darum, eine gute Trainingsform auf den Platz zu bringen, sondern sie mit Leben zu füllen und sie situativ richtig zu coachen. Zudem glaube ich, dass es sehr hilfreich ist, gern mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten und kommunikativ zu sein. Kommunikation ist der Schlüssel für eine gute Zusammenarbeit. Was außerdem hilft, ist die Akzeptanz dafür, dass Menschen eben unterschiedlich sind, Generationen sich ändern und Spieler*innen etwas anders ticken, als du es vielleicht früher in deren Alter getan hast. 

… Selbst- und Fremdreflexion 

Gerade in einer Führungsposition musst du dich ständig selbst reflektieren. Zudem brauchst du ein sicheres Umfeld, das dir Stabilität gibt, das dich ebenfalls offen und ehrlich reflektiert. Du solltest Feedback immer erst mal wertfrei annehmen, die Informationen verarbeiten und dann darüber nachdenken. 

… die Entwicklung von Kompetenzen 

Wichtig ist in erster Linie, dass du bei dir selbst bleibst und authentisch bist. Das merken die Spieler*innen, das merkt auch dein Umfeld. Es gibt natürlich Situationen, in denen ich sehr emotional bin, und es gibt auch mal eine Halbzeitansprache, in der ich sehr laut werde und Spieler*innen für ihre Leistung kritisiere. Grundsätzlich geht es aber darum, eine gute Basis, eine gute Beziehung zu dem Menschen zu haben. Dann merken die Spieler*innen, dass es auch bei Kritik nur um die Sache geht, niemals aber um irgendwelche persönlichen Dinge. Jeder Mensch entwickelt sich in jedem Alter immer weiter – das hört niemals auf. 

... „walk like you talk“ 

Es geht um Körperhaltung, um dein Auftreten. „Walk like you talk!“ Das hat beim Fußballlehrer-Lehrgang Christoph Daum gesagt, und das ist bei mir hängengeblieben. Ich war damals bei Bayern in einer besonderen Rolle, als Julian an Corona erkrankt war. Wir haben zwei Spiele 4:0 gewonnen. Dann kam das Spiel gegen Gladbach – das verlieren wir 5:0. Und dann bist du derjenige, der vor der Mannschaft steht. Das war schon eine herbe Enttäuschung, eine derbe Niederlage für uns alle. Aber dann habe ich mir gesagt: „Okay, eine Sache ist klar: Wenn ich gleich aus diesem Zimmer rausgehe, dann bin ich alles andere als ein Opfer. Wir hatten noch ein Spiel vor uns, in dem Julian fehlen würde. Und egal, welche Mannschaft da kommt, egal, welche unserer Top-Spieler in dem Moment fit oder verletzt sind: Ich bin jetzt im Fokus. Die Spieler schauen nämlich ganz genau: Wie reagiert der jetzt? Und da ist es sehr wichtig, mit einer guten Körpersprache und mit einem gesunden Selbstbewusstsein aufzutreten. 

… Einsatzbereitschaft 

Du kannst es dir natürlich auch mal einen Tick einfacher machen und ein bisschen weniger investieren. Das könnte hin und wieder durchaus reichen, aber das muss jeder mit sich selbst vereinbaren. Ich glaube, dass wir alle gemeinsam an das Limit gehen müssen und vielleicht sogar manchmal auch darüber hinaus. Und trotz des Aufwands weißt du am Ende des Tages, dass es sich gelohnt hat. 

… schwierige Gespräche mit Spieler*innen 

Mich belastet es gar nicht so sehr, Gespräche mit Spieler*innen zu führen, die vielleicht nicht ganz so einfach sind. Ich versuche, ihnen immer das Gefühl zu vermitteln, dass es bei mir zwei Seiten gibt: Auf der einen tut es mir menschlich auch weh, diese Entscheidung gegen sie zu treffen. Aber auf der anderen ist das genau mein Job, meine Aufgabe. Es steht quasi in meiner Jobbeschreibung, derartige Entscheidungen zu treffen. Wenn Spieler*innen dabei das Gefühl bekommen, dass ich authentisch bin und die Entscheidung nicht aus der Luft gegriffen ist, dann hat bis jetzt jede*r Einzelne auch immer Verständnis gezeigt. 

… das Gespür für die Spieler*innen 

Du musst die Menschen so akzeptieren, wie sie sind. Jeder geht mit Drucksituationen anders um. Jeder hat ein anderes Umfeld. Jeder hat für sich eine/n Ansprechpartner*in, den er als wichtig erachtet. Es gibt sehr verschlossene Spieler*innen und welche, die immer mal ein Lob brauchen. Da benötigst du als Trainer*in ein gutes Gespür für den/die Einzelnen und eine gute Beobachtungsgabe. 

… das Steuern einer Gruppe 

Auch hier brauchst du gute Antennen, aber auch Menschen um dich herum, die dir mal sagen, dass du auf den oder den achten solltest, wenn du es vielleicht mal selber nicht direkt auf dem Schirm hast, weil die Gruppe nun mal sehr groß ist. 

… die Rolle des Cheftrainers / der Cheftrainerin

Es bringt nichts, wenn du immer der Erste bist, der morgens da ist, und der Letzte, der abends fährt, nur um das irgendwelchen Leuten zu zeigen. Es ist wichtig, dass du dich mit deiner Aufgabe voll identifizierst, dass die Spieler*innen merken: Der gibt alles für die Sache, der setzt sich ein für mich als Spieler*in, der setzt sich ein für uns als Mannschaft, der ist gut vorbereitet, die Trainingseinheiten sind strukturiert und gut geplant. In vielerlei Hinsicht müssen wir Vorbild sein. Aber in erster Linie sind Cheftrainer*innen diejenigen, die die Richtung vorgeben. 

… das eigene Selbstverständnis 

Du darfst dich selbst nicht zu wichtig nehmen. Ich bin jetzt Cheftrainer bei Eintracht Frankfurt. Ich weiß, dass es hier Trainer vor mir gab, die ihren Job gut gemacht haben. Es wird auch Trainer*innen nach mir geben, die ihn gut machen. Und wir wollen es ebenfalls gut machen. Jeder aus meinem Trainer*innen-Team, und deshalb besteht es eben auch aus diesen Menschen, nimmt sich selbst nicht so wichtig. Wir alle sind mit Leib und Seele Fußballer*innen, mit Leib und Seele Trainer*innen, arbeiten gern für den Sport und sehr gern mit Menschen zusammen. 

… Fehlerkultur 

Ich will, dass wir eine Kultur leben, in der jeder das Gefühl hat: „Solange ich alles gebe und solange ich mich in den Dienst der Mannschaft stelle, darf ich auch Fehler machen. Ich darf eine Torchance vergeben, ich darf auch einen Fehler machen, der zum Gegentreffer führt.“ Wir reißen niemandem den Kopf ab. Was ich aber von meinen Spieler*innen und auch von mir selbst verlange und auch vorlebe, ist die Bereitschaft, sehr viel zu investieren und alles dafür tun, erfolgreich zu sein. 

… das Delegieren von Aufgaben 

Du musst auch mal aus dem Hamsterrad aussteigen können und auf dich selbst achten. Es geht darum, nicht zu streng mit sich zu sein, denn häufig sind wir mit uns selbst viel strenger als mit anderen. Da braucht es eine gute Reflexion. Und jede/r muss für sich selbst herausfinden, was ihm/ihr gut tut – ob das ein Spaziergang im Wald ist, Sport, Wellness, oder Zeit mit der Familie. Das Wichtigste ist, dass du weiter kreativ bist. Und ich habe gemerkt: Je höher die Belastung und je mehr zu tun ist, desto weniger kreativ bin ich. Als ich diesen Zustand zum ersten Mal wahrgenommen habe, entschied ich, die eine oder andere Aufgabe mehr zu delegieren.

… die Fähigkeit, auch mal „Nein“ zu sagen 

Eine große Aufgabe ist es, lernen zu können, „Nein“ zu sagen, ohne sich dafür erklären zu müssen – nicht nur als Fußballtrainer*in, sondern grundsätzlich als Mensch. „Nein“ ist ein Wort, das du benutzen darfst. Du musst nicht jedem immer eine Rechtfertigung geben, wenn du mal absagst, wenn du mal sagst: „Das geht jetzt nicht.“ In erster Linie musst du dafür sorgen, dass es dir selbst gut geht. Wenn es dir selbst gut geht, dann geht es in der Regel auch deinem Umfeld gut.

Du darfst dich selbst nicht zu wichtig nehmen.
Dino ToppmöllerCheftrainer Eintracht Frankfurt