Podcast mit Daniel Thioune
Planungsfähigkeit
Aufgenommen wurde die Folge am 30.04.2024
Trainer*innen analysieren und handeln vorausschauend zur erfolgreichen Weiterentwicklung der Mannschaft. Sie planen nicht nur kurzfristig, sondern auch perspektivisch.
Daniel Thioune über …
… Planungsfähigkeit
Plan ist immer ungleich Realität! Das musste ich mit der Zeit feststellen. Wer häufig in die Zukunft blickt, verliert sich auch schnell. Ich habe es für mich umgewandelt: Mein Ziel ist es, in der Zukunft mit einem guten Gefühl auf die Vergangenheit zurückblicken zu können. Und das kann ich nur, wenn ich im Hier und Jetzt bin. Mir ist wichtig, meine ganze Energie für den Ist-Moment aufzuwenden.
… die Planung der Saisonvorbereitung
Bei der Planung der Saison habe ich nur den Zeitraum vom Vorbereitungsstart bis zum ersten Pflichtspiel im Kopf. Ich kann nicht in sechs Wochen alles trainieren, was ich in den folgenden sechs Monaten benötige. Zudem muss ich mich immer der Situation anpassen: So hatte ich in den vergangenen zwei Spielzeiten meinen Kader jeweils erst sehr spät zusammen. Da bringt es wenig, alles durchzuplanen, wenn kaum einer der Jungs, die vermutlich am ersten Spieltag auf dem Platz stehen, während der ersten Vorbereitungsphase da ist. Trainerkolleg*innen anderer Klubs mit vielen Nationalspieler*innen im Kader haben damit noch viel häufiger zu tun und müssen ebenfalls hinsichtlich ihrer Planung sehr anpassungsfähig sein.
… die Periodisierung der Saisonvorbereitung
Was die Saisonvorbereitung angeht, habe ich einen klaren Plan: Ich arbeite zunächst immer am Spiel gegen den Ball. In dieser Phase sollen sich die Spieler*innen außerdem besser kennenlernen. Grundsätzlich versuche ich, erst mal eine defensive Struktur auf den Platz zu bringen, weil diese auch für diejenigen, die später dazukommen, einfacher zu begreifen und umzusetzen ist. Dann kommt irgendwann der Wechsel, auf die Offensive und auf klare Aufgaben und Profile, die wir in unserem Positionsspiel sehen wollen.
… die Planung einer Fußballkarriere
Ich habe als Fußballprofi vieles lernen dürfen. Und ich durfte auch über die Jahre, die ich bereits Fußballtrainer bin, viele Erfahrungen sammeln. Wir haben häufig einen Karriereplan im Kopf: Ein talentierter Spieler / eine talentierte Spielerin träumt davon, irgendwann Bundesligaprofi zu sein. Aber das wird er/sie nicht von heute auf morgen, sondern dafür sind viele kleine Schritte zu gehen. Ich war auch ein Amateurfußballer, der irgendwann nach einigen Jahren Profifußball ausüben durfte. Und so ist es häufig auch für mich als Trainer gewesen, dass ich immer versucht habe, den nächsten Schritt zu planen, es dann aber doch ganz anders kam.
… Plan A, Plan B und Anpassungsfähigkeit
Ich erinnere mich noch gut an mein erstes Pflichtspiel als Cheftrainer der Drittliga-Mannschaft des VfL Osnabrück. Wir spielten gegen Magdeburg, den damaligen Tabellenführer, und der Plan, den ich mir zuvor zurechtgelegt hatte, schien zunächst überragend zu sein. Dieser wurde dann aber nach fünf Minuten zerschlagen, als mein Trainerkollege gegenüber zu seinem Plan B wechselte. Ich schaute meinen Co-Trainer an und sagte nur: „Wir sind blank, wir haben dem nichts entgegenzusetzen.“ Wir hatten einfach keinen Plan B. Auf so eine Situation musste ich natürlich perspektivisch anders reagieren können, aber dieser Prozess hat gedauert, weil Planungsfähigkeit in dem Fall sicherlich gut ist, ich aber immer auch auf einen dynamischen Zustand reagieren muss. Es ist im Fußball eine der größten Herausforderungen, im Stadion vor 50.000 Zuschauern festzustellen, dass der Gegner nicht das spielt, was erwartet wurde, und darauf reagiert werden muss. Mittlerweile versuche ich auch, möglichst viel im Vorfeld zu planen und Spieler auf dem Platz und in der Hinterhand zu haben, die neue Informationen schnell verarbeiten sowie Ideen und Anpassungen umsetzen können. Anpassungsfähigkeit ist vielleicht doch die Überschrift, die noch über dem Plan steht.
… die unterschiedlichen Gegebenheiten von Klubs
Grundsätzlich nur einen Plan zu haben und diesen ohne Alternative umsetzen zu wollen, funktioniert vielleicht als Trainer*in von Manchester City oder Real Madrid – also dann, wenn ich die besten Spieler*innen zur Verfügung habe. In dieser Situation ist Plan A vielleicht tatsächlich alternativlos. Aber willkommen im Leben: Ich bin weder Trainer eines Topteams in England noch in Spanien. Ich coache momentan einen Zweitligisten, der noch vor zweieinhalb Jahren in einer nicht ganz so komfortablen Situation war. Da muss ich mich den Gegebenheiten anpassen und kann nicht direkt das draufsetzen, was ich als Trainer möchte.
… die Planung der Trainingswoche
Am trainingsfreien Tag sitze ich am Schreibtisch und plane die gesamte Woche und die Trainingsschwerpunkte bis zum nächsten Spiel. Ich kann in einer Woche natürlich nicht alles abbilden, sondern fokussiere mich darauf, was wir am Wochenende auf den Platz gebracht haben und was eventuell hinsichtlich des kommenden Gegners wichtig ist. Dabei wird jeder einzelne Tag geplant. Das stelle ich dann dem Trainer*innen-Team vor und verteile die Inhalte. Für heute hatte ich zum Beispiel eine überragende Spielform ausgearbeitet, an deren Planung ich eine Stunde saß und auf die ich mich sehr gefreut habe. 70 Minuten vor der Teambesprechung sagte mir der Athletiktrainer, dass ein Spieler ausfällt. Aber ich benötigte unbedingt 21 Feldspieler, um die Form umzusetzen. Da sind wir dann wieder bei „Plan ist ungleich Realität“. Ich musste also etwas verändern: In Spielformen können wir Räume oder die Personenanzahl anpassen. Sicherlich sind das Möglichkeiten, aber vielleicht komme ich dann nicht mehr in die Positionierung, die ich eigentlich haben will. Dann muss ich erneut anpassen und nehme zum Beispiel einen Akteur raus, der am Wochenende gesperrt ist. Wir Trainer brauchen eine gewisse Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, weil es schade ist, das zuvor Geplante nicht umsetzen zu können.