Wissen
Vergleich von Positionsmesssystemen
Kommen verschiedene Positionsmesssysteme beim Datentracking zum selben Ergebnis?
- Ein Videotracking-System, ein LPM-System und zwei GPS-Tracking-Systeme wurden in einem Praxistest parallel eingesetzt.
- Die Feldgröße beeinflusst die Größe der Abweichungen zwischen den Systemen.
- Kalibriergleichungen können die Abweichungen zwischen den Systemen weitestgehend ausgleichen.
- Die Gesamtdistanz erfassen alle vier Systeme gleich gut.
- Unterschiede fallen vor allem bei Distanzen mit hohen Laufgeschwindigkeiten und bei der Beschleunigung auf.
Abstract
Das Datentracking ist im Profifußball beim Training und während eines Wettkampfs zu einem wichtigen Hilfsmittel geworden. Dafür kommen verschiedene optische, satelliten- und funkgesteuerte Technologien zum Einsatz. Wie präzise arbeiten diese Positionsmesssysteme? Eine Grundlagenstudie ist dieser Frage nachgegangen und hat ein halb-automatisches Kamera-basiertes System, ein lokales Positionsmesssystem (LPM) und ein GPS-basiertes System im direkten Vergleich praktisch getestet. Geprüft wurde, ob die erhobenen Daten systemübergreifend vergleich- und nutzbar sind. Das Ergebnis: Mithilfe von Kalibriergleichungen lassen sich Abweichungen zwischen den Systemen weitestgehend ausgleichen. Fehlervarianzen in den Messungen können so minimiert werden, kleine bis moderate Ungenauigkeiten lassen sich dennoch nicht ganz ausschließen. Das sollten Trainer und Datenanalysten wissen, wenn sie die Daten aus verschiedenen Systemen für die Leistungsanalyse und Trainingssteuerung zusammenführen und auswerten.
Leistung im Fußball in Zahlen fassen
Das Datentracking ist aus dem modernen Fußballsport nicht mehr wegzudenken. Was früher gar nicht oder nur mit viel Aufwand quantifiziert werden konnte, wird heute durch computergestützte Positionsbestimmung fassbar gemacht: Laufleistung, zurückgelegte Distanzen, durchschnittliche und maximale Geschwindigkeit sowie Spielstile. Trainer und Betreuer ziehen aus den aufgezeichneten Daten ihre Schlüsse für Trainingspläne, individuelle Belastungssteuerung, Mannschaftsaufstellung und Spieltaktik. In den letzten Jahren haben sich auf dem Markt verschiedene Technologien zur Positionsbestimmung etabliert, die die Nachverfolgung der körperlichen Leistung jedes Spielers beim Training und auf dem Spielfeld ermöglichen. Dazu gehören:
Videotracking-Lösungen. Fest installierte und/oder mobil einsatzbare Kameras, die rund um das Spielfeld aufgestellt sind, zeichnen mithilfe einer halbautomatischen Bilderkennung die Bewegung der Spieler auf. Aus diesen Daten werden softwaregesteuert dreidimensionale Positionsdaten der Spieler errechnet.
Funkbasierte Systeme zur lokalen Positionsmessung (LPM, engl. local position measurement). Sie kombinieren das Videotracking mithilfe von festinstallierten Kameras rund um das Spielfeld mit Messungen von Transpondern, die jeder Spieler am Körper trägt. Die Transponderdaten werden per Funksignal an Messstationen rund um das Spielfeld übertragen. Das System errechnet aus den Bild- und Transponderdaten die Position eines Spielers. Zusätzlich können auch Parameter wie Geschwindigkeit und Beschleunigung erfasst werden.
Satellitengesteuerte Positionsbestimmungssysteme (GPS, engl. global positioning system). Sie kommen ganz ohne Kameras aus: Per Datentracker, die die Spieler am Körper tragen, werden die Positionsdaten dank hoher Übertragungsraten nahezu in Echtzeit satellitengesteuert erfasst und in eine Datenbank zur Auswertung übertragen. Zusätzliche Sensoren in den GPS-Datentrackern erfassen zudem physische Daten der Spieler.
Können Daten aus verschiedenen Systemen für die Trainingsanalyse zusammengeführt werden?
Das Problem: Im Trainings- und Spielbetrieb können unter der Woche verschiedene Positionsmesssysteme zum Einsatz kommen – je nachdem, wo trainiert wird und wo Wettkämpfe stattfinden. Um die Leistungsentwicklung und die Fitness eines Spielers ganzheitlich und über einen längeren Zeitraum hinweg betrachten zu können, müssen unter Umständen Daten aus verschiedenen Systemen zusammengeführt werden. Das setzt voraus, dass sich die erhobenen Daten systemübergreifend vergleichen und nutzen lassen. Sonst drohen Verzerrungen und Fehlinterpretationen bei Leistungsbewertung und Trainingssteuerung.Die Studienautoren sind zwei Fragen nachgegangen: Lassen sich mithilfe von Kalibriergleichungen Fehlervarianzen der Messergebnisse der verschiedenen Systeme ausgleichen? Wie genau und verlässlich sind die Messergebnisse der verschiedenen Systeme im Vergleich zu Messungen mit konventionellen Lichtschranken?
So wurde getestet
An dem Praxistest haben 82 Nachwuchsspieler der U14-U17-Kader einer Elite-Fußballakademie und 14 Athleten der Leichtathletik-Gruppe der U16-U18-Kader derselben Akademie teilgenommen. Getestet wurde das optische Positionsmesssystem Prozone (heute: Stats), das LPM-System Inmotio sowie die GPS-basierten Systeme GPSports und VX. Die Daten wurden über vier Tage hinweg in einem offenen Stadion mit einer Feldgröße von 105 x 70 Metern und Naturrasen gesammelt. Durchgeführt wurden vier Trainingseinheiten, jeweils zwei mit dem U15- und dem U17-Team, eine Sprint-Einheit ohne Ball mit der Leichtathletik-Gruppe und ein 20 Minuten langes Freundschaftsspiel mit einer Auswahl aus den U14- und U15-Kadern. Während der Tests hat jeder Teilnehmer einen Datentracker der drei nicht-optischen Systeme getragen. So wurden die Daten mit vier Systemen gleichzeitig aufgezeichnet. Um die Genauigkeit der Daten zu prüfen, wurden zum Vergleich die Standardsprint- und Laufübungen mit konventionellen Lichtschranken gemessen. Um die Verlässlichkeit der Daten sicher zu stellen, wurden alle Übungen zweimal durchgeführt. Die Ergebnisse im Einzelnen:
Übereinstimmung der Daten: Mit Gleichungen Abweichungen herausrechnen
Um zu prüfen, wie präzise die vier verschiedenen Positionsmesssysteme arbeiten, wurde die Feldgröße während der Tests variiert. Die Trainings- und Sprinteinheiten fanden auf einem kleinen (<30 x 30 m) sowie auf einem mittelgroßen (<50 x 50 m) Feld statt – das Spiel auf der regulären Spielfeldgröße. Das Ergebnis: Die meisten gesammelten Daten, die von den vier Systemen parallel aufgezeichnet wurden, stimmten nicht überein, sondern wichen leicht voneinander ab. Es zeigte sich, dass die Größenordnung der Abweichungen mit der Feldgröße und dem betrachteten Parameter – zum Beispiel der Gesamtdistanz – zusammenhing. Zudem stimmten die Geschwindigkeitsmessungen der verschiedenen Systeme nicht genau überein. Um die Fehlervarianz zwischen den Systemen zu reduzieren und die erhobenen Daten dennoch kompatibel zu machen, schlagen die Studienautoren drei verschiedene Kalibriergleichungen vor – eine für jede Feldgröße. Damit lassen sich Abweichungen zwischen den Systemen nachweislich weitestgehend herausrechnen, auch wenn kleine bis moderate Ungenauigkeiten bestehen bleiben. Damit gibt die Studie Trainern und Datenanalysten erstmals ein Hilfsmittel für die Zusammenführung von Daten aus verschiedenen Positionsmesssystemen an die Hand. Eine Überprüfung der vorgeschlagenen Gleichungen mit anderen Daten aus ähnlichen Trainings- und Spielsituationen durch Dritte steht allerdings noch aus.
Qualität der Daten: Wurde wirklich das gemessen, was tatsächlich geschehen ist?
Mit allen vier Systemen wurden drei Parameter getestet: die zurückgelegte Distanz bei drei Läufen mit drei verschiedenen Geschwindigkeiten, maximale Beschleunigung und Geschwindigkeit bei verschiedenen Standardübungen mit und ohne Richtungswechsel. Durchgeführt wurden Läufe über 200 Meter in einer ovalen Runde, Sprints über 40 Meter, in einer L-Form sowie im Zick-Zack. Im Vergleich der erhobenen Messungen mit den Kontrollmessungen per Lichtschranke hat sich gezeigt: Kein System hat die tatsächlich zurückgelegte Distanz bei unterschiedlichen Laufschnelligkeiten exakt erfasst. Die Distanzen (insbesondere bei Läufen mit einer Geschwindigkeit von mehr als 14,4 km/h) fielen beim LPM-System etwas kürzer, beim Videotracking-System und den GPS-Systemen etwas länger aus. Bei der linearen Geschwindigkeit (ohne Veränderung der Laufrichtung) haben die Systeme präzise oder nur mit geringen Abweichungen gemessen. Die Messungen mit Richtungswechseln waren bei allen Systeme am ungenausten.
Verlässlichkeit: Wie zuverlässig sind die Messergebnisse?
Die Studienautoren bewerten die Abweichungen der per Tracking-System erhobenen Werte von den konventionell gemessenen Werten als Standardabweichungen. Das berücksichtigt, fallen die Unterschiede der gemessenen Gesamtdistanz zwischen den Systemen kaum ins Gewicht. Besonders gut haben alle vier Systeme bei der Geschwindigkeitsmessung über die Distanz von 30 bis 40 Metern abgeschnitten. Allerdings messen die Systeme auf kürzeren Distanzen weniger präzise – unabhängig davon, ob die Läufe Richtungswechsel beinhaltet haben oder nicht. Im Vergleich der Messungen der zurückgelegten Distanz bei hoher Laufintensität (> 14,4 km/h) schneidet das Videotracking-System am schlechtesten ab, beim Vergleich der Beschleunigungsmessungen das LPM-System. Aufgefallen waren Unterschiede in den Messergebnissen bei den Läufen über 200 Meter in der ovalen Runde zwischen den beiden GPS-Systemen. Den Grund dafür vermuten die Studienautoren in der Technik selbst und verweisen auf Studien zu GPS-Systemen [4,5,6], die Abweichungen von Messergebnissen zwischen unterschiedlichen Herstellern auf die Verwendung von verschiedenen Datenfilter oder auch auf die Verfügbarkeit von Satelliten zum gegebenen Zeitpunkt zurückführen.
Fazit: Was bedeuten die Erkenntnisse für die Trainingspraxis?
Die Gesamtbetrachtung des Systemvergleichs zeigt, dass sich alle vier getesteten Positionsmesssysteme zur Nachverfolgung einzelner Spieler während Training und Wettkampf durchaus eignen. Jedes System weist unterschiedliche Vor- und Nachteile auf, allein schon durch die Angewiesenheit auf fest installierte Kameras. Bewiesen hat sich, dass Fehlervarianzen der Messergebnisse durch Kalibriergleichungen weitestgehend ausgeglichen werden können. Dennoch bleiben kleine bis moderate Ungenauigkeiten bestehen, die Einflussfaktoren wie der Feldgröße geschuldet sein können. Inwieweit sich die festgestellten Abweichungen zwischen den Systemen in der Praxis negativ auf Leistungsanalyse und Trainingssteuerung niederschlagen, wenn sie aus verschiedenen Systemen zusammengeführt werden, muss noch genauer erforscht werden. Vorerst sollten Trainer und Datenanalysten die beschriebenen Unzulänglichkeiten der Datenqualität kennen und bei der Auswertung der Daten berücksichtigen.Gegenüber dem optischen Kamera-basierten System und dem LPM-System erweisen sich GPS-Systeme als flexibler, weil sie nicht auf vorinstallierte Geräte im Stadion angewiesen sind. Umgekehrt können die GPS-Alternativen auch, wenn sie einmal installiert wurden, in überdachten Trainingsbereichen oder Innenräumen genutzt werden, was die satellitenbasierte Technologie nicht erlaubt. Während die Kamera-basierte Technologie sich dadurch auszeichnet, dass entsprechende Systeme neben dem Training auch während des Spiels genutzt werden können und die Spieler keine Trackinggeräte tragen müssen, kann die GPS-Technologie dagegen mit enormen Zeiteinsparungen bei der Datenbereitstellung punkten.
Die Inhalte basieren auf der Originalstudie "Integrating different tracking systems in football: multiple camera semi-automatic system, local position measurement and GPS technologies.", die 2014 im "Journal of sports sciences" veröffentlicht wurde.
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Literatur
- Buchheit, M., Allen, A., Poon, T. K., Modonutti, M., Gregson, W., & Di Salvo, V. (2014). Integrating different tracking systems in football: multiple camera semi-automatic system, local position measurement and GPS technologies. Journal of sports sciences, 32(20), 1844-1857.Studie lesen
Harley JA, Lovell RJ et al. The interchangeability of global positioning system and semiautomated video-based performance data during elite soccer match play. J of Strength and Cond Res 2011, 25: 2334 – 2336
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