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Big Data für die Trainingssteuerung

Was sich Trainer, Experten und Spieler von GPS-Daten versprechen

Technologie & Equipment
Längst haben Positionsdaten Einzug in die Spielanalyse genommen. Welche Rolle spielen sie für die Trainingssteuerung?
    • Trainer wünschen sich Daten zu hochintensiven Aktionen und zur Arbeitsrate/Intensität von Spielern.
    • Spieler halten datenbasiertes Feedback für hilfreich, um Schwachstellen zu erkennen und ihre Leistungen zu verbessern. Sie wünschen sich Aussagen zu Gesamtdistanz, Lauftempo und Sprintdistanzen. 
    • Um effektiv zu sein, müsste die Auswertung von gesammelten Daten einem gemeinsamen Ziel dienen, sagen Trainer und assistierendes Personal.
    • Größtes Hindernis für das datenbasierte Feedback ist die Nutzbarmachung der großen Menge an Daten.
Abstract

Längst haben Positionsdaten Einzug in die Spielanalyse genommen. Welche Rolle spielen sie für die Trainingssteuerung? Dieser Frage geht eine Umfrage unter britischen Trainern, Experten im Team hinter dem Team und Spielern nach. Insgesamt wurden 176 Personen befragt. Das Ergebnis: Die aufwendige Analyse von GPS-Daten lohnt sich. Allerdings müssen sie gezielter ausgewertet und besser vermittelt werden.

Big Data für die Trainingssteuerung

Herzfrequenz, Geschwindigkeit, Sprintdistanz, Intensität: Die Leistungen von Spitzensportlern werden permanent gemessen. Neben medizinischen Leistungswerten werden zunehmend auch physische Daten mithilfe von GPS gesammelt. Viele Fußballvereine arbeiten mit Hochdruck daran, diese Daten nutzbar zu machen. Fußballbundesligist SV Werder Bremen zum Beispiel hat jüngst mit der Jacobs University Bremen daran gearbeitet, die Auswertung der gesammelten Daten zu systematisieren. In dem Kooperationsprojekt wurden Daten der U23-Mannschaft zunächst bereinigt und vereinheitlicht. „Im zweiten Schritt wurden Zusammenhänge zum Beispiel zwischen Trainingsinhalten, der Dosierung des Trainings und Verletzungshäufigkeit hergestellt“, erklärt Stefan Kettemann, Professor für komplexe Systeme an der Jacobs University Bremen das gemeinsame Data Engineering-Projekt.

Der Vorteil: Aus der Kombination von Positionsdaten und Leistungswerten lassen sich Muster erkennen, die Trainern helfen können, Spielern ein fundierteres Feedback zu geben und zielgerichtetere Entscheidungen für die individuelle Trainingssteuerung zu treffen. Für den Verein ein Erkenntnisgewinn, der helfe, jeden Spieler individuell genau richtig zu belasten, sagt Nico Hruby, Chief Digital Officer des SV Werder Bremen.

Datenanalysen sind bislang nur Ergänzung und noch kein Ersatz

Dass GPS-Daten Trainern zusätzliche Anhaltspunkte liefern können, um ihre Coaching-Entscheidungen abzusichern, belegen ältere Studien [1, 2, 3]. Noch stehen die technischen Möglichkeiten, aus den immensen Datenmengen nutzbare Informationen herauszufiltern, am Anfang. Unklar ist auch, inwieweit sich Trainer tatsächlich darauf stützen und für wie wichtig sie GPS-basierte Leistungsinformationen für ihre tägliche Arbeit halten. Eine Umfrage unter 176 Trainern (Cheftrainer, Assistenztrainer und Sportdirektoren), Mitarbeitenden im Trainerstab (Athletiktrainer, Physiotherapeuten, Sportwissenschaftler) und Spielern (aus allen Ligen) im britischen Profifußball zeigt: Datenanalysen sind in der Trainingspraxis angekommen. Aber es könnte mehr getan werden, um aufgezeichnete Positionsdaten sinnvoll zu nutzen und den Erkenntnisgewinn daraus zu verbessern.

Wie wichtig sind GPS-Daten in der Trainingspraxis?

Die größten Vorteile von Trainingsdaten versprechen sich Trainer, Experten in den Trainerstäben und Spieler laut den Umfrageergebnissen für die Fitness der Spieler, die Verletzungsprävention und die Leistungsdiagnostik. Experten und Spieler nannten auch den Nutzen für die Trainingsplanung als „sehr wichtig“. Unterschiede zeigen sich bei der Bedeutung von Trainingsdaten für die Reflexion und die Leistungsanalyse: Während das Fachpersonal Daten als „sehr wichtige“ Grundlage erachten, halten Trainer sie lediglich für „etwas wichtig“. 

Arbeitsrate gewinnt an Bedeutung

Während Fachkräfte, die in den Trainingsstäben arbeiten, sich am häufigsten Daten zur „individuellen Arbeitsbelastung der Spieler“ (77 %) wünschen, nennen Trainer am häufigsten solche Trainingsdaten, die hochintensive Aktionen illustrieren (82 %) und die Aussagen über die Arbeitsrate bzw. Intensität bei einzelnen Spielern treffen (74 %) sowie über die Leistung eines Spielers im Vergleich zur Spielleistung (59 %). Dass Trainer vor allem dazu Informationsgrundlagen haben wollen, spiegele die jüngere Entwicklung im Profifußball wider, sagen die Autoren. Zwischen 2006 und 2013 haben in der britischen Premier League hochintensive Aktionen und Sprintdistanzen um 30 bis zu 80 Prozent zugenommen [4]. Werte wie Arbeitsraten sagen unabhängig von Gesamt- und Einzelwerten aus, wie engagiert ein Spieler auf dem Platz agiert. Sie machen die Trainings- und Spielbelastung einzelner Spieler besser vergleichbar [5]. Entsprechend müssen die Trainingsdaten aufbereitet und in verschiedene Zusammenhänge – etwa mit der Belastungsdosierung im Training – gebracht werden.

GPS-Daten für die richtige Belastungsdosierung im Training

Alle befragten Gruppen erachten Trainingsdaten als wichtige Grundlagen für die Trainingsplanung. Dass die richtige Trainingsdosierung das Verletzungsrisiko senkt, ist in der Forschung gut belegt [6]. Externe und interne Belastungsdaten zeigen dem Trainer in der Zusammenschau, ob ein Training den gewünschten Effekt erzielt oder nicht. Während die externe Belastung (z. B. zurückgelegte Distanz, Sprints) durch GPS-Daten erfasst wird, beschreibt die interne Belastung (z. B. Herzfrequenz) den Einfluss dieser Belastung auf die körperliche Fitness. Dass mithilfe von Positionsdaten Zusammenhänge zwischen Trainingsdosierung und Verletzungshäufigkeit sichtbar gemacht werden können, ist in der Forschung nachgewiesen [6]. Unklar jedoch ist, ob per GPS erfasste Belastungsmessungen entsprechende Aussagen auch über die körperliche Fitness liefern können. So konnten beispielsweise Taylor et al. [7] und Rabbani et al. [8] keine klaren Zusammenhänge zwischen hochintensiven Laufdistanzen und Veränderungen der intermittierenden Laufkapazität von Profifußballern in der Vorsaison feststellen. Ob ein GPS-basiertes Monitoring Veränderungen in der körperlichen Fitness aufzeigen kann und damit das Trainer-Feedback effektiver wird, müsse noch eingehender erforscht werden, schlussfolgern die Autoren.

Woran die Nutzung von GPS-Daten im Trainer-Feedback scheitert

Größte Hürde für die effektive Nutzung von Positionsdaten für die Trainingssteuerung ist das Fehlen eines gemeinsamen Ziels, geben Trainer wie Fachkräfte in der Umfrage an. Schwierig wird es besonders dann, wenn Maßnahmen, die Assistenz- oder Athletiktrainer vorschlagen, mit der Philosophie des Trainers kollidieren [9]. Hier sind nach Meinung der Autoren Sportwissenschaftler gefragt, Trainer in Sachen Datennutzung entsprechend auszubilden und den Nutzen von Datenanalysen aufzuzeigen.

Viele Trainer beklagen auch, dass sie mit „zu vielen Informationen“ konfrontiert werden. Hier sei die sportwissenschaftliche Abteilung gefordert, Daten besser aufzubereiten und zu visualisieren. Eine besonders verbreitete Form der Entscheidungshilfe ist das Ampelsystem, bei dem eine Farbcodierung verwendet wird, um einen bestimmten Status eines Sportlers in Bezug auf Leistung oder Trainingsverfügbarkeit anzuzeigen [10].

Was Spieler sich von einem GPS-basierten Feedback wünschen

Ob das Feedback vom Trainer förderlich oder eher kontraproduktiv ist, hängt vor allem davon ab, wie es vermittelt wird. Ältere Forschung belegt, dass sich Videoanalysen besonders gut eignen, um Leistung zu reflektieren, Schwächen zu erkennen und Verbesserungen zu initiieren [11]. Nicht überraschend glauben die meisten der befragten Trainer (59 %) und Fachkräfte (63 %), dass die Anzeige von Trainings- und Spieldaten die Leistungsbereitschaft der Spieler positiv beeinflusst. 94 Prozent der Trainer sind überzeugt, dass die Spieler dadurch ihr künftiges Verhalten ändern würden.

„Gesamtdistanz“ (89 %), „Hochgeschwindigkeits- und Sprintdistanzen“ (87 %) und die „erreichte Höchstgeschwindigkeit“ (73 %) sind die am häufigsten genannten Parameter, die sich die befragten Spieler nach einer Trainingseinheit als Rückmeldung wünschen. Die Spieler möchten ihre Daten nach dem Training am liebsten mit denen anderer Spieler auf der gleichen Position und mit einem typischen 90-Minuten-Spiel vergleichen. Solche Vergleiche könnten den Wettbewerb und die Motivation befeuern, kommentieren die Autoren. Diese Informationen möchten die Spieler am liebsten als Aushang in der Umkleidekabine sehen oder auf ihr Handy geschickt bekommen. Würden sie die Daten live während des Trainings sehen, würden sie ihr Anstrengungsniveau lediglich „wahrscheinlich“ ändern.

Fazit

Alle drei befragten Gruppen erachten GPS-basierte Trainingsdaten als hilfreiches Instrument, um die Trainingssteuerung und die Entscheidungsfindung im Trainingsprozess zu unterstützen. Bei der Nutzbarmachung ist noch viel Luft nach oben. Es braucht mehr Austausch zwischen den Abteilungen im Team hinter dem Team, eine gezieltere Auswahl und Aufbereitung der auszuwertenden Daten und eine bessere Vermittlung der Ergebnisse.

Die Inhalte basieren auf der Studie „Feedback of GPS training data within professional English soccer: A comparison of decision making and perceptions between coaches, players and performance staff”, die 2020 in der Fachzeitschrift “Science and Medicine in Football” veröffentlicht wurde.

Literatur

  1. Nosek, P., Brownlee, T. E., Drust, B., & Andrew, M. (2021). Feedback of GPS training data within professional English soccer: A comparison of decision making and perceptions between coaches, players and performance staff. Science and Medicine in Football, 5(1), 35-47.
    Studie lesen
    1. Buchheit, M. (2017). Want to see my report, coach. Aspetar Sports Medicine Journal, 6, 36-43.

    2. Weston, M. (2018). Training load monitoring in elite English soccer: A comparison of practices and perceptions between coaches and practitioners. Science and Medicine in Football, 2(3), 216-224.

    3. Brink, M. S., Kuyvenhoven, J. P., Toering, T., Jordet, G., & Frencken, W. G. (2018). What do football coaches want from sport science? Kinesiology, 50(1), 150-154.

    4. Barnes, C., Archer, D. T., Hogg, B., Bush, M., & Bradley, P. (2014). The evolution of physical and technical performance parameters in the English Premier League. International Journal of Sports Medicine, 35(13), 1095-1100.

    5. Kelly, D. M., Strudwick, A. J., Atkinson, G., Drust, B., & Gregson, W. (2020). Quantification of training and match-load distribution across a season in elite English Premier League soccer players. Science and Medicine in Football, 4(1), 59-67.

    6. Rossi, A., Pappalardo, L., Cintia, P., Fernández, J., Iaia, M. F., & Medina, D. (2017, September). Who Is Going to Get Hurt? Predicting Injuries in Professional Soccer. In MLSA@ PKDD/ECML (pp. 21-30).

    7. Taylor, R. J., Sanders, D., Myers, T., Abt, G., Taylor, C. A., & Akubat, I. (2018). The dose-response relationship between training load and aerobic fitness in academy rugby union players. International Journal of Sports Physiology and Performance, 13(2), 163-169.

    8. Rabbani, A., Kargarfard, M., Castagna, C., Clemente, F. M., & Twist, C. (2019). Associations between selected training-stress measures and fitness changes in male soccer players. International Journal of Sports Physiology and Performance, 14(8), 1050-1057.

    9. Stodter, A., & Cushion, C. J. (2017). What works in coach learning, how, and for whom? A grounded process of soccer coaches’ professional learning. Qualitative Research in Sport, Exercise and Health, 9(3), 321-338.

    10. Robertson, S., Bartlett, J. D., & Gastin, P. B. (2017). Red, amber, or green? Athlete monitoring in team sport: The need for decision-support systems. International Journal of Sports Physiology and Performance, 12(s2), S2-73.

    11. Francis, J., & Jones, G. (2014). Elite rugby union players perceptions of performance analysis. International Journal of Performance Analysis in Sport, 14(1), 188-207.