Wissen
GPS-Tracking
Potenziale und Grenzen für die Belastungssteuerung
- Vielfalt der verschiedenen eingesetzten GPS-Systemen bringt technische Besonderheiten mit sich.
- 10-Hertz-Geräte ermöglichen zwei bis dreimal präzisere Daten als Geräte mit niedrigeren Übertragungsraten.
- GPS-Signal liefert eine große Bandbreite an möglichen Analyseparametern.
- Einsatz der GPS-Technik für die Belastungssteuerung erfordert eine gemeinsame Abstimmung über Ziele und Nutzen im Trainerstab.
Abstract
Ob Ballereignisse oder körperliche Fitness - der Fußball wird immer datengetriebener: Heute messen GPS-Tracking-Systeme die Bewegungsabläufe während des Spiels und liefern Informationen in Echtzeit über die Leistung jedes einzelnen Spielers. Die Technik verspricht einen tieferen Einblick in das Spiel und in die individuelle Leistung jedes Spielers. Eine Vielzahl von Variablen wird erfasst und in hinterlegten Datenbanken per Algorithmus miteinander in Beziehung gesetzt. Trainer ziehen daraus ihre Schlüsse für eine optimale Trainings- und Belastungssteuerung. Echte Vorteile bietet die Nutzung aber nur dann, wenn die Technik richtig angewendet und die Datenfülle sinnvoll interpretiert wird. Das ist das Ergebnis einer britischen Studie, die anhand ausgewählter Studien eine Übersicht über den aktuellen Forschungsstand verschafft und Potenziale sowie Grenzen des GPS-Trackings zur Unterstützung der Belastungssteuerung aufzeigt.
Fußball im Datenrausch
Das Training im Spitzenfußball wird dank ausgefeilter Messtechnik immer datengetriebener. Heute sind satellitengesteuerte Positionsbestimmungssysteme (GPS) Teil der Trainings- und Spielroutine. Sie liefern einen tieferen Einblick in das Spielgeschehen und in die Leistungsfähigkeit der Spieler – beim Training, bei der Rehabilitation nach einer Verletzung, bei der Vorbereitung auf den Gegner und im Spiel selbst. Aus den aufgezeichneten Positionsdaten, die GPS-Systeme in Echtzeit übermitteln, lassen sich Laufwege nachverfolgen, aber auch Geschwindigkeiten, Sprints und Laufdistanzen berechnen. Inzwischen sind die GPS-Tracking-Geräte, die die Spieler für die Datenaufzeichnung zwischen den Schulterblättern tragen, je nach Anbieter außerdem mit elektromechanischen Sensoren wie Beschleunigungssensoren und Gyrometer ausgestattet. Diese Sensoren sammeln physische Rohdaten, die – in eine Datenbank ausgelesen, per Algorithmus ausgewertet und miteinander in Beziehung gesetzt – detaillierte Informationen zur körperlichen Belastung jedes einzelnen Spielers liefern. Die Technologie macht den Athleten zunehmend „gläsern“. Sie ermöglicht einen ganzheitlichen Blick auf seine Leistung sowohl während des Spiels als auch im Training und verspricht viele Vorteile für die individuelle Trainings- und Belastungssteuerung, um die Leistungsfähigkeit zu verbessern, Verletzungsrisiken zu senken oder die Rehabilitation nach einer Verletzung zu überwachen und die Spielbereitschaft festzustellen [1, 2, 3]. Doch die Datenflut wirft auch die Frage auf, wie sinnvoll der Einsatz der GPS-Tracking-Technik wirklich ist.Eine britische selektive Literaturstudie zum Thema bietet Antwort. Sie ist der technologischen Entwicklung und den praktischen Erfahrungen mit der Anwendung verschiedener GPS-Tracking-Systeme im Fußball nachgegangen und zeigt anhand ausgewählter Forschungsarbeiten aus der Daten- und Sportwissenschaft Grenzen und Potenziale der GPS-Technik im Fußball auf.
Wie verlässlich sind die Systeme und wie genau die gemessenen Daten?
Standard GPS-Systeme, die mit einer Übertragungsrate von 1 oder 5 Hertz (Hz) arbeiten und Daten einmal bis fünfmal pro Sekunde erfassen, haben sich für die Schnelligkeit des modernen Fußballspiels als zu ungenau erwiesen: Vor allem bei schnellen Sprints und sekundenschnellen Richtungswechseln ist die Datenerfassung unzulänglich [4, 5]. Hochfrequente Versionen mit einer Übertragungsrate von 10 Hz, die bis zu doppelt so oft in der Sekunde Daten erfassen, haben sich in der Praxis als zwei bis dreimal akkurater erwiesen und können valide Daten liefern [6]. Eine andere Fehlerquelle liegt im Verfahren selbst: Bei der Signalkommunikation mit dem Satelliten im Orbit können Störungen auftreten. Wird das Signal auf großen Fensterflächen reflektiert, durch hohe Gebäude abgeschattet oder durch hohe Bäume kurzzeitig unterbrochen, führt das zu falschen Streckenberechnungen. Sogenannte differentielle GPS-Systeme, die für den Datenfluss zwischen Satellit und Tracker stationäre Empfänger nutzen, die auf dem Trainingsgelände oder dem Stadion installiert sind, können dieses Problem umgehen, präzisere Daten liefern und Fehlerquoten senken [7]. Die GPS-Messungen werden in verschiedenen Systemen vielfach durch Beschleunigungssensoren und Gyrometer ergänzt. Diese elektromechanischen Messgeräte haben sich als hilfreich erwiesen, um GPS-Daten in Bezug auf die körperliche Belastung zu korrigieren und zu verbessern [7, 8]. Einschränkungen sind indessen bei der Erfassung der maximalen Beschleunigung mithilfe von integrierten Beschleunigungssensoren zu machen [9]. Den Grund dafür vermuten Sportwissenschaftler in den zugrunde gelegten Algorithmen, die den Einfluss der Schwerkraft bei der Berechnung der absoluten Werte berücksichtigen [9]. Auch die dynamische Stressbelastung, für die verschiedene Parameter durch Algorithmen gewichtet werden, um sie zueinander in Beziehung zu setzen, konnte noch nicht wissenschaftlich validiert werden.
Welche Vorteile bieten die GPS-gestützten Daten für die Belastungssteuerung?
Die Datenaufzeichnung per GPS macht die Arbeit von Trainern und Betreuern effizienter: Sie hat die Leistungsanalyse eines Spielers im Vergleich zu klassischen Datenerfassungsmethoden in der täglichen Routine enorm beschleunigt und ist weniger personalintensiv. Trainer können entsprechend schneller reagieren. Dem gegenüber stehen die Fehlerquoten, die bei der Auslesung und Interpretation der gesammelten Daten entstehen [10]. Um sie klein zu halten, muss man wissen, wie das genutzte GPS-Tracking-System arbeitet, argumentiert die Studie. Das Problem: Die verschiedenen am Markt befindlichen GPS-Tracking-Systeme können eine Vielzahl von Parametern liefern. Welche aber das im Einzelnen sind und wie sie software-gestützt ausgewertet werden, variiert von Anbieter zu Anbieter [11]. Zwar wird die Suche nach den richtigen Daten in der praktischen Anwendung immer ausgeklügelter. Doch allein die Fülle der Analysemöglichkeiten ist für Datenlaien erschlagend. Umso wichtiger ist es, dass sich Fitnesstrainer mit dem zuständigen Analysten darauf einigen, welche Parameter tatsächlich wichtig und relevant für ihre Bedürfnisse sind [12]. Ein weiterer Punkt: Noch sind nicht alle verfügbaren Parameter, die das Datentracking liefert und die für die Belastungssteuerung interessant sein können, wissenschaftlich überprüft und ihre Aussagekraft bestätigt. Entscheidend ist deshalb, dass die genutzten Parameter richtig interpretiert werden. In der Praxis hat sich die GPS-gestützte Datenerfassung in folgenden Bereichen etabliert und bewährt:
Gesamte Laufdistanz. Forschungsergebnisse zeigen, dass das Leistungs- und Aktivitätsprofil eines Spielers entscheidend davon abhängt, auf welcher Position er spielt, wie alt er ist und wie die taktische Ausrichtung des Spielsystems ist.
Geschwindigkeitszonen. Üblich ist eine Einteilung in fünf Zonen: Gehen (0-7 km/h), langsames Laufen (7-13 km/h), Laufen (13-18 km/h), schnelles Laufen (18-21 km/h), Sprinten (>21 km/h). Weil es dafür noch keine wissenschaftlich standardisierten Schwellenwerte gibt, legt die Forschung eine individuelle Bestimmung nahe. Für die individuelle Belastungsüberwachung hat sich die GPS-Technologie als hilfreich erwiesen.
Auswirkungen von Aufprallkräften. GPS-Tracker mit integrierten triaxialen Geschwindigkeitssensoren liefern eine Reihe von zusätzlichen Parametern (z. B. Summe aller erfahren Kraftstöße (z. B. Landung nach Sprung) während der sportliche Aktivität), die einen tieferen Einblick in den Belastungszustand eines Spielers liefern und den Zusammenhang von Spielposition und spezifischem Trainingsbedarf besser ausleuchten.
Spielsystem und Mannschaftsaufstellung. Die positionsspezifische Interpretation einer Grundordnung, hat einen maßgeblichen Einfluss auf das physische Anforderungsprofil der Spielposition und der taktischen Ausrichtung der gesamten Mannschaft. Zudem werden Spielsysteme im heutigen Fußball auch während des Wettkamps geändert, in deren Folge der Gegner seinerseits mit taktischen Anpassungen reagieren kann.
Positionsspezifische Anforderungen. Die GPS-Technik unterstützt dabei, das individuelle Leistungsprofil einer Spielposition zu definieren.
Überwachung des wöchentlichen Belastungsvolumens. Mithilfe der GPS-gestützten Daten lässt sich die wöchentliche Belastung insbesondere während eines engen Wettkampkalenders noch präziser erfassen und das individuell notwendige Trainingsvolumen über die Woche gezielter bestimmen – spielvorbereitend, nach einem Wettkampf und zwischen den Spieltagen. So lässt sich zum Beispiel auch die Spielbereitschaft von Spielern, die an Wettkampftagen nicht zum Einsatz gekommen sind, über die Woche hinweg besser aufrechterhalten.
Regenerationsmanagement. Die vorliegende Studienlage und Praxiserfahrung zeigt, dass die Einbindung von zusätzlichen elektromyografischen Sensoren (zum Beispiel Herzfrequenz-Monitoring) in die tragbaren Datentracker die Leistungsdiagnostik verfeinern und die Belastungsanalyse mit tiefergehenden Daten qualitativ verbessern kann.
Minderung des Verletzungsrisikos. Noch ist das volle Potenzial des Zusammenspiels von GPS-gestützten Daten mit den klassischen medizinisch-physischen Daten nach einer Verletzung nicht vollständig untersucht. Die Verbindung von GPS-Tracking mit der Videoanalyse könnte helfen, um die Abläufe, die zu einer Verletzung führen, besser zu verstehen. Auch hier verspricht die Nutzung zusätzlicher Sensoren ein ganzheitlicheres Bild, um Leistungs- und Belastungsgrenzen besser zu erfassen.
Fazit: Wann die GPS-Technologie ihren Nutzen voll entfaltet
Die GPS-Technik bietet viele Vorteile – wenn man richtig damit umgeht. Je größer die Datenfülle, desto wichtiger wird es, dass Trainer und Betreuer wissen, nach welchen Informationen sie genau suchen und wie sie interpretiert werden müssen. Das setzt voraus, dass im Trainer- und Betreuerstab eine mit allen relevanten Nutzern abgestimmte Strategie für die Anwendung der Technologie und Aufbereitung der Erkenntnisse vereinbart wird. Der Erfolg und tatsächliche Nutzen hängt letztlich ganz wesentlich von dem Vertrauen in die Anwendung, Aufzeichnung und Analyse ab und von dem Verständnis der Nutzer, die Daten sinnvoll zu interpretieren und daraus ein aussagekräftiges, sinnvolles Feedback für die Belastungssteuerung abzuleiten. Um sich für ein passendes GPS-basiertes Datentracking-System zu entscheiden, muss der Nutzer, sei es der Analyst oder der Trainer, die richtigen Fragen an den potenziellen Anbieter stellen und sich die zugrundliegende Validierung des Systems und die Verlässlichkeit sowohl der Datenanalyse als auch der Geräte nachweisen lassen.
Die Inhalte basieren auf der Originalstudie "The Current Use of GPS, Its Potential, and Limitations in Soccer.", die 2018 im "Strength & Conditioning Journal" veröffentlicht wurde.
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Literatur
- Hennessy, L., & Jeffreys, I. (2018). The Current Use of GPS, Its Potential, and Limitations in Soccer. Strength & Conditioning Journal, 40(3), 83-94.Studie lesen
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