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Wo ein Wille, da kein Weg? Psychotherapeutischer Bedarf bei Fußballerinnen

Studie untersucht Häufigkeit von Symptomen der Depression und Angststörung im deutschen Frauenfußball

Das Bild zeigt eine Illustration, bei der der Kopf einer Frau langsam in kleine Bläschen auflöst, was eine Depression darstellen soll.
    • Spielerinnen der 2. Frauen-Bundesliga haben eine erhöhte Häufigkeit von Symptomen der Depression im Vergleich zu Spielerinnen der Frauen-Bundesliga und Frauen vergleichbaren Alters aus der Allgemeinbevölkerung.
    • Durchschnittlich 14 % der Spielerinnen zeigen schwerwiegende Symptome einer Depression.
    • Ungefähr 16 % der Spielerinnen gaben an, aktuell psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen zu wollen. Nur ein Drittel dieser Spielerinnen erhielten zur Zeit der Befragung psychologische oder psychotherapeutische Betreuung.
    • Das Bewusstsein für sowie Kenntnisse und Wissen über Herausforderungen für die mentale Gesundheit sollte im Sport verbessert werden.
Abstract

Auch Leistungssportlerinnen zeigen – ebenso wie Personen aus der Allgemeinbevölkerung – Symptome psychischer Belastungen. Von 290 befragten Fußballspielerinnen aus deutschen Ligen gaben ca. 14 % schwerwiegende Symptome einer Depression an. Das entspricht zwei bis vier Spielerinnen in einem Team (bestehend aus 18-26 Spielerinnen). Dabei zeigen Spielerinnen der 2. Frauen-Bundesliga sowie Spielerinnen jünger als 20 Jahre ein erhöhtes Risiko. Von den Spielerinnen, die Bedarf psychotherapeutischer Unterstützung angaben, erhalten diese lediglich ein Drittel. Die Autorinnen der Studie geben als Gründe für diesen Befund die Stigmatisierung und Bagatellisierung psychischer Erkrankungen an. Außerdem seien praktische Barrieren wie fehlendes regelmäßiges Screening psychischer Erkrankungen dafür verantwortlich. Deshalb solle zukünftig das Bewusstsein und Wissen über psychische Erkrankungen auch beim Team hinterm Team geschult werden, um niedrigschwellige Beratungsangebote für Spielerinnen mit psychotherapeutischem Bedarf schaffen zu können.

Mentale Stärke und seelische Gesundheit

Spitzenathletinnen und –athleten können auf dem Platz hervorragende Leistungen erbringen, Erfolge feiern, mentale Stärke in entscheidenden Spielen zeigen – und zeitgleich psychisch krank sein, wie die erfolgreichen Fußballer Buffon [1] und Iniesta [2]. Dass mentale Stärke nicht gleichzusetzen sei mit seelischer Gesundheit, hebt der Psychiater Valentin Markser in einem Interview mit der Sportschau hervor [3]. Untersuchungen an aktiven Athletinnen und Athleten berichten, in Abhängigkeit zur Stichprobe und Messmethode, bspw. für depressive Symptome eine Häufigkeit von 3,6 % bis 68 % [4, 5] sowie für Symptome einer Angststörung 1 % bis 37,3% [6, 7]. Dies nahmen die Autorinnen der vorliegenden Studie zum Anlass, Fußballerinnen der deutschen Ligen bezüglich dieser Symptome zu befragen und zudem die psychotherapeutische Versorgung zu prüfen.

Verwendete Fragebögen zum Screening von Depression und generalisierter Angststörung:

  1. Die Abkürzung CES-D steht für Center of Epidemiologic Studies Depression Scale und stellt einen Selbstberichts-Fragebogen dar, welche die Schwere von depressiven Symptomen (z. B. Interessenverlust, Verminderung des Antriebs, verminderte Konzentration) in der vergangenen Woche erfasst, z. B. durch Statements wie Ich hatte kein Interesse an meinen üblichen Aktivitäten. Diese Statements werden auf einer vierstufigen Antwortskala (0 - 3) beantwortet. Mehr Informationen zum Fragebogen finden sich auf der folgenden Homepage: https://cesd-r.com/download/

  2. Der GAD-7 erfasst Symptome einer Generalised Anxiety Disorder anhand von sieben Items, die Beschwerden wie Schnelle Verärgerung oder Gereiztheit und Angstgefühle, so als könnte etwas Schreckliches passieren enthalten. Die Teilnehmenden geben auf einer vierstufigen Antwortskala (Nie bis Beinahe jeden Tag) an, wie oft sie sich im Verlauf der letzten zwei Wochen durch ebenjene Beschwerden beeinträchtigt gefühlt haben.

Häufigkeit von Depression und Angststörung vergleichbar zur Normalbevölkerung – Ausnahme: 2. Frauen-Bundesliga

Von den 290 befragten Fußballspielerinnen gaben mehr als 80 % (229) ihre allgemeine Gesundheit als gut oder sehr gut an. Ungefähr 70 % (194) der Fußballerinnen haben keine auffälligen Symptome von Depressionen gezeigt, während 16,6 % (48) der Teilnehmenden milde und ca. 14,1 % (41) der Teilnehmenden schwere Symptome einer Depression Angaben. Dabei war die Häufigkeit von milden oder schweren Symptomen bei Spielerinnen der 2. Frauen-Bundesliga (46,0 %) im Vergleich zu Spielerinnen der Frauen-Bundesliga (24,4 %) fast doppelt so hoch. So unterscheiden sich Spielerinnen der 2. Frauen-Bundesliga diesbezüglich auch statistisch signifikant von der Symptomhäufigkeit in der alterstechnisch vergleichbaren Allgemeinbevölkerung (14 % für milde, 14 % für schwere Symptome [8]). Bezüglich der generalisierten Angststörung geben 90,7 % (263) keine auffälligen Symptome an, während 6,9 % (20) moderate und 1,4 % (4) schwere Symptome berichten. Dies unterscheidet sich nicht signifikant zwischen den einzelnen Ligen und auch die allgemeine Bevölkerung zeigt vergleichbare Werte (7,1 % moderat, 1,0 % schwerwiegend [9]). Einen Überblick über die Symptomhäufigkeiten nach Liga-Zugehörigkeit finden sich in Tabelle 1.

Das Bild zeigt ein Fragebogenscreening von Depression und Angststörung von Profi-Sportlern.
Nur ein Drittel erhält Zugang zu Psychotherapie bei Bedarf

Bei milden oder schwerwiegenden Symptomen einer psychischen Belastung und Krankheit kann die Behandlung durch psychotherapeutische Verfahren hilfreich sein [10]. Mehr als ein Drittel der befragten Spielerinnen (ca. 40 %, 113) gaben an, psychotherapeutische Unterstützung in der Vergangenheit oder zum Zeitpunkt der Befragung gebraucht zu haben. Dabei haben in der Vergangenheit 13,6 % (39) der Spielerinnen tatsächlich psychotherapeutische Unterstützung erhalten und zum Zeitpunkt der Befragung 5,2 % (15). Daraus ergibt sich, dass insgesamt ca. die Hälfe (47%) sowie zum Zeitpunkt der Befragung zwei Drittel der Spielerinnen, die Bedarf nach psychotherapeutischer Unterstützung angaben, diese nicht erhielten.

Depressionen gehören zu den häufigsten und am meisten unterschätzten Krankheiten. Für viele gilt das Thema Depression immer noch als Tabu. Betroffene brauchen unsere Unterstützung, damit sie darüber sprechen und sich Hilfe suchen können.
Jens Spahn, Bundesgesundheitsminister
Was sind Risikofaktoren?

Als Risikogruppe haben die Autorinnen Spielerinnen ausgemacht, die jünger als 20 Jahre sind, wenig Wettkampferfahrung haben, selten in der Startelf stehen und zu einer Mannschaft in der 2. Frauen-Bundesliga gehören. Darüber hinaus gelten als Risikofaktoren für Symptome der Depression und der generalisierten Angststörung, Spielerinnen, die ihre allgemeine Gesundheit als durchschnittlich oder unterdurchschnittlich bewerteten. Die Spielposition (z. B. Torspielerin, Angreiferin) zählt laut Autorinnen nicht zu den Risikofaktoren in dieser Studie.

Worauf können Trainerinnen und Trainer sowie Mitspielerinnen und Mitspieler achten?

Vergleichbar zu vorherigen Studien [11] zeigte sich, dass ca. 40 % der Spielerinnen während ihrer aktiven Karriere psychotherapeutische Unterstützung wollten oder brauchten. Zwei Drittel der Spielerinnen erhalten diese jedoch nicht – laut Autorinnen liegt dies am Stigma und der Leugnung psychischer Krankheiten sowie praktischen Barrieren wie fehlendem Wissen und schwierigem Zugang zu psychotherapeutischer Behandlung. In Bezugnahme auf australische Spitzensportlerinnen stellen sie fest, dass dort ca. 62 % der aktiven Sportlerinnen Unterstützung durch Psychologinnen und Psychologen erhalten haben, was mit niedrigen Zugangshürden sowie der Rolle von Trainerinnen und Trainern, Mitspielerinnen und Mitspielern sowie Vermittelnden zu erklären sei [12]. Deshalb sei es wichtig, das Bewusstsein für und das Wissen über psychischen Erkrankungen beim Team hinterm Team zu erhöhen, um Stigmatisierung entgegenzuwirken und niedrigschwellige Angebote für die mentale Gesundheit zu schaffen. Denn trotz des Willens, psychotherapeutische Unterstützung aufzusuchen, erhielten lediglich ein Drittel der Spielerinnen bei Bedarf diese. Das Team hinter dem Team kann dabei unterstützend zur Seite stehen, um diesen Weg der psychischen Unterstützung gemeinsam zu gehen. 

Die Inhalte basieren auf der Originalstudie "Depression and anxiety symptoms in 17 teams of female football players including 10 German first league teams", die 2019 im „British Journal of Sports Medicine" veröffentlicht wurde.


Wenn Sie glauben, selbst depressiven Symptome (oder Symptome einer anderen psychischen Erkrankung) zu haben, können Ihnen folgende Nummern helfen:

  • Telefonseelsorge: 08 00/1 11 01 11 oder 08 00/1 11 02 22
  • Hotline der Robert-Enke Stiftung: 0241 - 80 36 777

  • ärztlicher Bereitschaftsdienst: 116 117 (ohne Vorwahl, kostenlos)

Literatur

  1. Junge, A., & Prinz, B. (2019). Depression and anxiety symptoms in 17 teams of female football players including 10 German first league teams. British journal of sports medicine, 53(8), 471-477.
    Studie lesen
    1. Buffon litt unter Depressionen - F.A.Z.

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    2. „Die schwerste Phase meines Lebens“ - F.A.Z.

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    3. Valentin Markser: „Mentale Stärke ist nicht gleich seelische Gesundheit“ - Sportschau

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    4. Schaal K, Tafflet M, Nassif H, et al. Psychological balance in high level athletes: gender-based differences and sport-specific patterns. PLoS One 2011;6:e19007.

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    5. Hammond T, Gialloreto C, Kubas H, et al. The prevalence of failure-based depression among elite athletes. Clin J Sport Med 2013;23:273–7.

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    6. Junge A, Feddermann-Demont N. Prevalence of depression and anxiety in top-level male and female football players. BMJ Open Sport Exerc Med 2016;2:e000087.

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    7. Storch EA, Storch JB, Killiany EM, et al. Self-reported psychopathology in athletes: A comparison of intercollegiate student-athletes and non-athletes. J Sport Behav 2005;28:86–97.

    8. Hautzinger M, Bailer M, Hofmeister D, et al. ADS - Allgemeine Depressionskala. Manual. 2. überarbeitete und neu normierte Auflage. Manual. Hogrefe Verlag 2012.

    9. Löwe B, Decker O, Müller S, et al. Validation and standardization of the Generalized Anxiety Disorder Screener (GAD-7) in the general population. Med Care 2008;46:266–74

    10. Schneider, F., Härter, M., & Schorr, S. (Eds.). (2017). S3-Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression. Springer-Verlag.

    11. Prinz B, Dvořák J, Junge A. Symptoms and risk factors of depression during and after the football career of elite female players. BMJ Open Sport Exerc Med 2016;2:e000124.

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