Wissen

Wer schneller scannt und reagiert, passt besser

Wie visuelle Wahrnehmungsfähigkeit und Passspiel zusammenhängen

Psychologie
Talententwicklung
    • Das schnelle Scannen vor dem Ballbesitz führt zu schnelleren Passaktionen.
    • U23-Spieler schließen Pässe schneller ab als U13-Spieler.
    • Erfahrenere Spieler scannen in der Erkundungsphase vor dem Ballbesitz ihre Umgebung intensiver ab als jüngere.
    • Bei U13-Spielern hat die Spielposition Einfluss auf die Passleistung: Mittelfeldspieler passen schneller.
Abstract

Eine Studie hat untersucht, wie Reaktionsschnelligkeit und erfolgreiches Passspiel zusammenhängen. Dafür absolvierten zwei Gruppen aus den U13- und U23-Kadern eines Bundesligisten eine Versuchsreihe im Footbonaut. Aufgezeichnet und analysiert wurden die Kopfbewegungen der Spieler im Ballbesitz während der gesamten Passaktion. Das Ergebnis: Umfangreicheres visuelles Erkunden führt zu schnellerem Passspiel. Unterschiede zeigen sich zwischen den Altersgruppen. Auch die Spielposition hat Einfluss auf die Passleistung, allerdings nur bei den jüngeren Spielern.

Wie hängen visuelle Wahrnehmung, Reaktionsfähigkeit und Passgenauigkeit zusammen?

Im Fußball sind Handlungsschnelligkeit und Passgenauigkeit gefragt. Dabei kommt es nicht nur auf die richtige Technik an, sondern auch auf kognitive Fähigkeiten, wie etwa schnelle Reaktionen auf visuelle Reize im Umfeld und peripheres Sehen. „Scannende Kopfbewegungen“ oder „visuelle Erkundungsaktionen“ nennen Sportwissenschaftler es, wenn Spieler*innen sekundenschnell Informationen in ihrem Umfeld erfassen, bevor sie den Ball annehmen und weiterspielen. Der Gesamtprozess „Sehen-Antizipieren-Entscheiden-Handeln“ wird als Leistungsmerkmal im Profifußball immer wichtiger. Aber wie genau beeinflusst das schnelle Scannen die Leistung beim Passspiel? Welche Faktoren spielen dabei eine Rolle?

Versuchslabor Footbonaut

Das hat ein Forscherteam jüngst mit 27 Spielern aus den U13- und U23-Kadern eines Bundesligisten untersucht. Genutzt wurde dafür der Footbonaut bei der TSG Hoffenheim. Dabei handelt es sich um ein Hightech-Tool, das mehrere wichtige fußballspezifische Fertigkeiten/Fähigkeiten wie Ballannahme, Passgenauigkeit sowie Handlungsschnelligkeit kombiniert trainieren und testen kann. In dem Ballmaschinen-Käfig steht der Proband auf einem 14 x 14 Meter großen Kunstrasenfeld, umgeben von Gitterwänden. Sie bestehen aus 64 Quadraten, die in zwei Reihen übereinander angeordnet und mit Lichtleisten umrandet sind. Die zwei Ballmaschinen an jeder Wand können auf verschiedene Schusshärten, unterschiedliche Winkel und Spins eingestellt werden. Das Trainings- und Testinstrument spuckt aus unterschiedlichen Richtungen, begleitet von einem akustischen und optischen Signal, einen Ball aus, den die Spieler*innen annehmen und unter Kontrolle bringen müssen, um ihn möglichst schnell wieder abzuspielen. Wohin, markiert ein aufleuchtendes Quadrat an einer der Gitterwände: das Zieltor, das getroffen werden muss. In diesem Versuchslabor wurde getestet, wie schnell die Teilnehmer auf die Ballabgabe reagieren und den Ball ins Zieltor passen.

Anzahl der Kopfbewegungen vor und während des Ballbesitzes

Für die Studie wurden die Teilnehmer verkabelt. Jeder Spieler musste eine Testbatterie von 32 Versuchen absolvieren, wobei die Reihenfolge der Ballabgabe, die Ballgeschwindigkeit und die Verzögerung zwischen dem Signal und der Ballabgabe für alle gleich war. Um den Einfluss des Scannens auf die Passgenauigkeit beschreiben zu können, wurden bei allen Durchläufen jeweils drei Parameter erhoben: 1. Die Anzahl der Kopfbewegungen, die in einer bestimmten Zeit durchgeführt werden, 2. die Häufigkeit der Kopfbewegungen pro Sekunde (Kopfdrehungsfrequenz) und 3. die Gesamtwinkeldistanz der Kopfdrehungen (Kopfdrehungsexkursion) in Grad gemessen [1, 2, 3]. „Anzahl und Häufigkeit der Kopfbewegungen geben einen Hinweis darauf, wie oft ein Spieler seine visuelle Orientierung ändert, um seine Umgebung wahrzunehmen“, erklären die Studienautoren. „Die Kopfdrehungsexkursion zeigt hingegen, wie viel seiner Umgebung ein Spieler in der Situation erkundet.“

Alle Variablen wurden sowohl für die Zeit vor dem Ballbesitz (Erkundungsphase) und während des Ballbesitzes (Ballbesitzphase) erfasst. Um die Passleistung der Spieler zu bewerten, wurde für jeden Versuch die Gesamtzeit erfasst, die benötigt wurde, um den Ball zu empfangen, zu kontrollieren und in das Ziel zu passen. Außerdem wurden die Analysen für U13- und U23-Spieler zusammen und getrennt durchgeführt.

U23-Gruppe reaktionsschneller als U13-Gruppe

Insgesamt schlossen die U23-Spieler ihre Passaktionen schneller als die jüngeren Spieler ab. Dabei wurden bei den älteren Spielern weniger Kopfbewegungen gezählt. Differenziert in vor und während des Ballbesitzes zeigt sich: Die U23-Spieler scannen in der Erkundungsphase ihre Umgebung intensiver als die U13er, aber weniger als die jüngeren in der Ballbesitzphase. „Das spiegelt vermutlich den großen Unterschied in der Spielerfahrung wider“, erklären die Autoren. Dieser Befund untermauert ältere Studienergebnisse [3], dass mehr visuelles Erkunden vor dem Ballbesitz und weniger Scanning während des Ballbesitzes zu schnellerem Passspiel führt.

Außerdem sind bei den Spielern der U23-Gruppe größere Kopfdrehungen vor dem Ballbesitz und kleinere im Ballbesitz aufgefallen. „Das deutet darauf hin, dass erfahrenere Spieler besser auf die Wahrnehmungsinformationen eingestellt sind, die für künftige Passaktionen erforderlich sind“, so die Autoren. „Auch könnten sie Strategien entwickelt haben, um die Informationen besser zu nutzen, zum Beispiel für eine effizientere Körperorientierung für die bevorstehende Passaktion.“ Dass sehr erfahrene Fußballspieler besser darin sind, ihre Aufmerksamkeit während der Empfangsphase des Ballbesitzes auf spielerisch orientierte Bereiche zu richten und sich nur bei der ersten Berührung auf den Ball zu konzentrieren, konnten schon frühere Studien zeigen [4].

Mittelfeldspieler passen schneller

Bei der U13-Gruppe zeigte sich – anders als bei der U23-Gruppe –, dass auch die Spielposition auf die Schnelligkeit der Passaktionen Einfluss hat: Mittelfeldspieler schlossen in der Versuchsbatterie Pässe schneller ab als Spieler auf anderen Positionen. Die Erklärung der Autoren: Vermutlich erleben junge Mittelfeldspieler in ihrer Spielposition einen höheren gegnerischen Druck und entwickeln deshalb die Fähigkeit, dem mit enger Ballkontrolle, hohem Situationsbewusstsein und schnellen Passaktionen zu begegnen [5]. Für die Talententwicklung könnte das eine interessante Erkenntnis sein, um zu überlegen, wie jüngere Spieler auch auf anderen Positionen diese wahrnehmungsmotorische Einstellung entwickeln könnten.

Im Footbonaut sind die Umgebungsbedingungen anders

Zwar kann die Studie mit ihrem Untersuchungsdesign unter kontrollierten Bedingungen ältere repräsentative Untersuchungen bestätigen und im Laborversuch belegen, dass ein ausgeprägtes Scannen oder eine hohe visuelle Wahrnehmungsfähigkeit mit einer verbesserten Passleistung einhergehen. Allerdings unterscheiden sich die Wahrnehmungsinformationen, die die Spieler*innen im Footbonaut erhalten, von denen, die auf dem Spielfeld auf sie einwirken. Darüber hinaus erfordert ein erfolgreiches Passspiel während des Spiels mehr als nur Reaktionsschnelligkeit. Passgenauigkeit und die Wahl der Passrichtung spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, die in diesem Untersuchungsaufbau aber nicht näher berücksichtigt wurden.

Die Inhalte basieren auf der Studie „The association between visual exploration and passing performance in high-level U13 and U23 football players“, die 2020 im „Science and Medicine in Football“ veröffentlicht wurde.

Literatur

  1. McGuckian, T. B., Beavan, A., Mayer, J., Chalkley, D., & Pepping, G. J. (2020). The association between visual exploration and passing performance in high-level U13 and U23 football players. Science and Medicine in Football, 4(4), 278-284.
    Studie lesen
    1. Chalkley, D., Shepherd, J. B., McGuckian, T. B., & Pepping, G. J. (2018). Development and Validation of a Sensor-Based Algorithm for Detecting the Visual Exploratory Actions. IEEE Sensors Letters, 2(2), 1-4.

    2. McGuckian, T. B., Cole, M. H., Jordet, G., Chalkley, D., & Pepping, G. J. (2018). Don’t turn blind! The relationship between exploration before ball possession and on-ball performance in association football. Frontiers in Psychology, 9, 2520.

    3. McGuckian, T. B., Cole, M. H., Chalkley, D., Jordet, G., & Pepping, G. J. (2019). Visual exploration when surrounded by affordances: frequency of head movements is predictive of response speed. Ecological Psychology, 31(1), 30-48.

    4. Oppici, L., Panchuk, D., Serpiello, F. R., & Farrow, D. (2017). Long-term practice with domain-specific task constraints influences perceptual skills. Frontiers in Psychology, 8, 1387.

    5. Oppici, L., Panchuk, D., Serpiello, F. R., & Farrow, D. (2019). Futsal task constraints promote the development of soccer passing skill: evidence and implications for talent development research and practice. Science and Medicine in Football, 3(3), 259-262.