Wissen
Wenn Emotionen anstecken
Wie ein Trainer emotional reagiert, beeinflusst die Gefühle, das Denken und das Handeln seiner Spieler
- Emotionen spielen eine funktionale Rolle in sozialen Beziehungen.
- Gefühle, die wir bei anderen beobachten, lösen in uns die gleichen Emotionen aus.
- Wahrgenommene Emotionen von anderen beeinflussen unser Denken und Handeln.
- Selbstkontrolle und Emotionsmanagement sind ein wesentlicher Schlüssel zum erfolgreichen Coaching.
Abstract
Vergebene Chancen, Gegentreffer, gehaltene Elfmeter – Fußball ist ein emotionales Spiel. Welche Auswirkungen haben die Emotionen von Trainern auf die Leistung der Spieler und die soziale Dynamik innerhalb der Mannschaft? Ein niederländisches Forschungsteam hat in zwei Feldtests im Baseball und im Fußball untersucht, ob Emotionen von Trainern entsprechende emotionale Empfindungen bei ihren Spielern hervorrufen. Die Studie zeigt: Ob einem Trainer seine Begeisterung oder sein Ärger ins Gesicht geschrieben steht, beeinflusst nicht nur die Stimmung der Mannschaft, sondern auch wie die Spieler sich fühlen, wie sie denken und handeln.
Was Gefühle uns sagen
Emotionen sind ein wichtiges Element unserer sozialen Beziehungen. Sind wir glücklich, wütend oder traurig, erleben wir unsere Gefühle nicht alleine: Unser Umfeld nimmt an unserem emotionalen Erleben teil. Emotionen sind wichtige Informationsträger im menschlichen Zusammenleben. Über den Ausdruck unserer Gefühle senden wir kontinuierlich Signale an unsere Mitmenschen über unsere Stimme, unserem Gesichtsausdruck und unsere Körperhaltung [1]. Dass andere uns „lesen“ können, erleichtert nicht nur das gegenseitige Verständnis im menschlichen Zusammenleben. Aus der Emotionssoziologie ist auch bekannt, dass diese Interaktion keine Einbahnstraße ist, sondern zu einer wechselseitigen emotionalen Beeinflussung führt [2-5]. Was aber bedeutet das für die soziale Dynamik im Mannschaftssport – speziell im Fußball, wo Glückseligkeit und Ärger dicht beieinander liegen?
Emotionale Beeinflussung im Sport
Gefühle entstehen nicht aus dem Nichts, sondern sind das Ergebnis einer subjektiven Bewertung eines Ereignisses oder einer Situation. Sind uns die Freude über einen gewonnenen Zweikampf oder die Trauer über einen vergebenen Elfmeter buchstäblich ins Gesicht geschrieben, hat das Folgen für unser Umfeld. Die Wissenschaft spricht von der Funktionalität von Emotionen für soziale Beziehungen und nennt drei mögliche Ausprägungen, wie unsere Gefühlsäußerungen auf andere Menschen wirken: Bei einer anderen Person beobachtete Gefühle sind gewissermaßen „ansteckend“. Nehmen wir bei unserem Gegenüber einen bestimmten Gefühlsausdruck war, kann das in uns die gleiche Emotion auslösen [6, 7]. Diese Gefühlsansteckung tritt auch in Gruppen auf und wirkt als affektive Information auf die Stimmungslage der anderen [8, 9]. Belegt ist auch, dass wir aus einer beobachteten Emotion ableiten, wie die Person die gegebene Situation beurteilt und bewertet, und daraus Rückschlüsse über unser Verhalten ziehen [2]. Und schließlich beeinflussen Gefühle der anderen unser Handeln [1].
In der Sportpsychologie ist gut untersucht, wie das Gefühlsleben die Leistung von Sportlern in Wettkampfsituationen beeinflussen. Wie sich die Emotionen eines Einzelnen auf das soziale Zusammenspiel innerhalb einer Mannschaft auswirken, ist dagegen noch relatives Neuland. Vermutet wird, dass insbesondere die Gefühlsregungen von Trainern nachhaltige Auswirkungen auf die Spieler haben und ihren Gemütszustand, ihr Denken und ihre Leistung beeinflussen [9, 10]. Erste empirische Belege deuten darauf hin, dass nicht nur die nicht-verbale Kommunikation eines Trainers das Selbstvertrauen und die Motivation von Sportlern beeinflusst [11]. Auch die positive oder negative Intensität, mit der ein Trainer vor einem Wettkampf oder in den Pausen Stimmungen wie Ruhe, Zuversicht oder Dominanz schafft, überträgt sich auf die Haltung der Spieler [12]. Wenig aber ist bekannt über die soziale Dynamik innerhalb einer Mannschaft, die durch die Gefühlsäußerungen von Trainern ausgelöst wird. Die Fragestellung scheint umso interessanter, wenn Trainern ein autoritäres Verhältnis zu ihren Spielern zugeschrieben wird und ihre Aussagen für Spieler ein besonderes Gewicht haben [13, 2].
Stecken die Emotionen des Trainers die Mannschaft an?
Diesen Zusammenhang hat ein niederländisches Forschungsteam erstmals näher untersucht und geprüft, ob und wie sich diese emotionale Wechselwirkung nachweislich auswirkt. Getestet wurde in den Sportarten Baseball/Softball und Fußball.
Wie sind die Forscher vorgegangen?
„Wir haben uns auf zwei Emotionen fokussiert, die im sportlichen Umfeld besonders vorherrschen – Glücksgefühle und Ärger“, erklären die Autoren. Zufriedenheit oder Freude entstehen, wenn Menschen das Gefühl haben, dass sie auf einem guten Weg sind, ihre Ziele zu erreichen, während Ärger die frustrierende Erkenntnis anzeigt, dass ein Ziel nicht erreicht wird [14, 15]. Im Sport ist Glücksgefühl mit Sieg, Ärger mit Niederlage verbunden – beides sind sehr starke Emotionen. Die aus der vorliegenden Forschungslage abgeleiteten Hypothesen lauteten:
- Die Emotionen von Trainern rufen die gleichen emotionalen Empfindungen bei ihren Spielern hervor: Ausdruck von Glücklich sein bewirkt Glücklich sein; Ausdruck von Ärger bewirkt Ärger.
- Spieler schließen aus den Emotionen, die sie bei ihrem Trainer wahrnehmen, auf ihre Leistung. Freut sich der Trainer, schließt das auf eine gute Leistung; ärgert er sich, spielt der Spieler schlecht.
Beide Hypothesen wurden im ersten Feldtest bei 30 niederländischen Baseballteams durch Befragungen der Spieler und der Trainer jeweils vor und nach einem Wettkampf überprüft. Die Erkenntnisse führten zu einer dritten Hypothese:
- Glücksgefühle von Trainern sind für die Mannschaftsleistung förderlicher als Ärger.
Alle drei Hypothesen wurden in einem zweiten Feldtest überprüft, dann aber in einer anderen Sportart, weil sich beim Baseball die häufigen Spielerwechsel wie auch die meist große Entfernung zwischen Trainer und Spieler auf dem Spielfeld als nachteilig für die Beweisführung erwiesen haben. Fußball, so argumentieren die Autoren, liefert dagegen bessere Testbedingungen. Es gibt weniger Einwechslungen, die Trainer sind den Spielern in Sichtkontakt räumlich näher. Weil es im Fußball eine Halbzeitpause gibt, konnten die Forscher hier dieselben Merkmale zu mehreren Messzeitpunkten erheben. Der Vorteil: Die Stabilität jedes Merkmals über die Zeit und die wechselseitige Vorhersagekraft der Aussagen zu verschiedenen Zeitpunkten erhöhen die Evidenz einer kausalen Wirkung. Oder anders gesagt: Weil Trainer und Spieler mehrfach – vor dem Wettkampf in der Kabine, in der Halbzeitpause und nach dem Wettkampf in der Kabine – befragt und somit auch die Zeit-verzögerten Effekte erfasst werden konnten, sind die Ergebnisse am Ende aussagekräftiger.
Die Ergebnisse des Fußball-Feldtests
An dem Fußball-Feldtest haben 30 niederländische Fußballmannschaften und ihre Trainer teilgenommen. Trainer und Spieler erhielten Fragebögen vor der Mannschaftssitzung kurz vor Anpfiff in der Kabine, nach der Halbzeitansprache sowie unmittelbar nach dem Spiel. Gefragt wurde nach ihren emotionalen Wahrnehmungen in der jeweiligen Situation, fokussiert auf Glücksgefühle und Ärger. Die Auswertung der erhobenen Daten hat die Überprüfung der Hypothesen weitestgehend gestützt – mit einer Einschränkung: Ärgerlich kann sich ein Trainer bestenfalls in der Halbzeit und nach einem Spiel vor seinen Spielern zeigen, nicht aber schon vor dem Spiel; während Trainer freudige Emotionen eher vor dem Spiel zeigen als während der Halbzeit. Dennoch konnten die Forscher zeigen, dass die beim Trainer wahrgenommene Stimmung affektiv ansteckend wirkt und sich auf die ganze Gruppe übertragen kann. Bestätigt hat sich auch, dass die Spieler aus den emotionalen Reaktionen des Trainers Rückschlüsse auf sein Urteil über die Qualität ihrer Leistung ziehen. Emotionen des Trainers werden also auch kognitiv von Spielern verarbeitet. Schließlich konnte auch belegt werden, dass positive Emotionen von Trainern in der non-verbalen Kommunikation eine wesentliche Rolle für die soziale Dynamik innerhalb der Mannschaft spielen. Sie sind für die Leistung, den Zusammenhalt und die Kooperation des Teams förderlicher als negative Emotionen.
Fazit: Emotionen beeinflussen Leistung und soziale Dynamik
Aus ihren Erkenntnissen leiten die Forscher ab, dass Trainer sich darüber im Klaren sein sollten, welche Auswirkungen die Gefühle, die sie zeigen, auf die Spieler und die Leistung der Mannschaft haben. Wie ein Trainer in einer gegebenen Situation emotional reagiert, beeinflusst, wie sich seine Spieler fühlen, was sie denken und wie sie handeln. Sein Gefühlsausdruck überträgt sich auch auf die Stimmung der ganzen Mannschaft. Erfolgreiche Trainer können ihre Emotionen steuern und so regulieren, dass sie die Leistung ihrer Mannschaft verbessern und den einzelnen Spieler effektiv beeinflussen. In anderen Worten: Sowohl Selbstkontrolle als auch Emotionsmanagement sind ein wesentlicher Schlüssel zum erfolgreichen Coaching.
Diese Erkenntnisse deuten aber auch auf weiteren Forschungsbedarf hin. So ist noch unklar, wie die emotionale Reaktion von Trainern einzelne Leistungsmerkmale – wie zum Beispiel Entscheidungsfindung, Reaktionszeiten oder Passgenauigkeit – eines Spielers während des Wettkampfs beeinflussen. Auch ist nicht klar, welche anderen Einflüsse auf die soziale Dynamik im sportlichen Miteinander wirken und inwieweit die Wahrnehmungsfähigkeit der Spieler, eine beobachtete Emotion des Gegenübers richtig zu deuten und zu interpretieren, eine Rolle spielen. Schließlich ist auch die Intensität gezeigter Gefühle und die ihre Auswirkung auf die wechselseitige Einflussnahme noch wenig beleuchtet.
Die Inhalte basieren auf der Originalstudie "Emotional games: How coaches' emotional expressions shape players' emotions, inferences, and team performance.", die 2019 in „Psychology of Sport and Exercise" veröffentlicht wurde.
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Literatur
- van Kleef, G. A., Cheshin, A., Koning, L. F., & Wolf, S. A. (2019). Emotional games: How coaches' emotional expressions shape players' emotions, inferences, and team performance. Psychology of Sport and Exercise, 41, 1-11.Studie lesen
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