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Der „COMPASS“ für die Beziehung?

Qualitative Interviewstudie zur Aufrechterhaltung der Trainer-Analysten-Beziehung

Psychologie
Trainerentwicklung
Der "COMPASS" für die Beziehung? Eine qualitative Interviewstudie zur Aufrechterhaltung der Trainer-Analysten-Beziehung.
    • Das Akronym COMPASS steht für die Merkmale einer Beziehung im sportlichen Kontext: Konfliktmanagement (Conflictmanagement), Offenheit, Motivation, präventive Strategien, Rückhalt/Zutrauen (Assurance), Unterstützung (Support), soziales Netzwerk.

    • Ein von Offenheit und Ehrlichkeit geprägtes hohes Arbeitsethos scheint die Trainer-Analysten-Beziehung positiv zu beeinflussen, außerdem sind präventive Strategien zur Vermeidung von Konflikten hilfreich.
    • Analyst*innen und Trainer*innen können die Ergebnisse helfen, ihre Beziehung aktiv zu gestalten und zu einer gelingenden zu machen.
Abstract

Das „COMPASS“-Modell dient als Rahmen der komplexen Bestandteile einer Trainer-Athleten-Beziehung. In vorliegender Studie wird dieses Modell auf die Trainer-Analysten-Beziehung im Fußball erweitert, da auch hier eine wechselseitige Beziehung vorliegt. In Interviews mit sechs fest angestellten Analysten aus dem englischen Profifußball wurden Merkmale erkundet, die zum Gelingen der Trainer-Analysten-Beziehung beitragen und im „COMPASS“-Modell eingeordnet. Die Ergebnisse zeigen, dass ein fleißiges Arbeitsethos, gepaart mit Ehrlichkeit und Zugänglichkeit, zu einer produktiven und positiven Arbeitsbeziehung beitragen. Zudem werden präventive Strategien zur Vermeidung von Konflikten (z. B. Erwartungen und Rollen frühzeitig klären) sowie die sozialen Beziehungen über das rein Fachliche hinaus als förderliche Bedingungen genannt. Die Ergebnisse können sowohl Analyst*innen als auch Trainer*innen helfen, die Arbeitsbeziehung im Trainer-Analysten-Duo aktiv zu gestalten.

Das „COMPASS“-Modell

Das „COMPASS“-Modell wurde entwickelt, um Verständnis für die Einflussfaktoren einer Trainer-Athleten-Beziehung zu entwickeln. Auf Basis von Interviews mit Trainer*innen und Athlet*innen sowie Fragebogenstudien entwickelte ein britisches Forscherteam das Modell, bei dem jeder Buchstabe für einen Einflussfaktor auf die Trainer-Athleten-Beziehung steht [1].

C = Konfliktmanagement (Conflict Management)
O = Offenheit (Openness)
M = Motivation (Motivation)
P = präventive Strategien (Preventive Strategies)
A = Zutrauen / Rückhalt (Assurance)
S = Unterstützung (Support)
S = soziale Netzwerke (Social Networks)

Die Autoren gehen davon aus, dass das Modell erweiterbar ist auf andere Beziehungen im sportlichen Kontext, bspw. die Beziehung zwischen Trainer und Mitgliedern aus dem Trainerteam, z. B. dem Analysten.

Macht in der Trainer-Analysten Beziehung

Neben der Beziehung interessierte sich das Forscherduo für die Macht- und Abhängigkeitsstrukturen innerhalb der Trainer-Analysten-Beziehung. Das 5-Stufen-Modell der interpersonalen Macht bezogenen auf den Sportkontext nennt diese [2]:

  • Experte (expert): Trainer hat Wissen, welches der Sportler braucht oder wertschätzt.

  • Referent (referent): Trainer wird als Vorbild wahrgenommen.

  • Legitim (legitimate): Wahrnehmung der Gesellschaft, dass der Athlet den Anweisungen des Trainers Folge leistet.

  • Zwang (coercive): Macht des Trainers, Strafen auf Basis von Verhalten oder Leistungen auszusprechen.

  • Belohnung (reward): Macht des Trainers, Belohnungen auf Basis von Verhalten oder Leistungen auszusprechen.

Im Rahmen der Studie konzentrierten sich die Autoren v. a. auf den Unterschied zwischen einer autoritären (Trainer dominiert Beziehung) und gleichberechtigten (Aufgaben und Verantwortung sind ausgeglichen) Beziehung auf drei Ebenen: 

  • hierarchisch (Gedanken und Emotionen; nicht spezifisch),
  • aufgabenbezogen (arbeitsbezogene Aufgaben und Aktivitäten) und 
  • sozial (nicht arbeitsbezogene Aspekte).
Englische Analysten berichten: Die Interviews

Deshalb wurden in vorliegender Studie sechs semi-strukturierte Interviews (PDF) mit im englischen Profifußball tätigen Analysten geführt, um sowohl zu prüfen, inwiefern das „COMPASS“-Modell auf die Trainer-Analysten-Beziehung angewandt werden kann und zum anderen, welche Arten der interpersonalen Macht Einflussfaktoren sind. Die Interviews wurden anschließend mit einer sogenannten Inhaltsanalyse [3] ausgewertet und so Themenblöcke mit Unterthemen gebildet.

Ergebnisse und Zitate

In TAB. 01 finden sich die Ergebnisse für jedes Merkmal aus dem „COMPASS“-Modell, zusammen mit dem jeweiligen Oberthema sowie Unterthema und die Anzahl (n) und Prozentangaben (%) an den gesamten Statements aller Analysten sowie die Information, wie viele der Analysten dieses Thema nannten (bspw. 4/6).

Für jedes Merkmal einer Trainer-Analysten-Beziehung finden sich im Folgenden von den Autoren ausgewählte Zitate für jede Unterkategorie, die exemplarisch für die Ergebnisse stehen. 

Konfliktmanagement

  • Konsequenzen und nicht erfüllte Erwartungen
    „Wenn ich eine Grenze überschritten hatte, dann würde er es entweder durchgehen lassen, oder er würde dich darauf ansprechen und es wäre nie wieder eine negative Sache“
    „Wenn man aufhört, Teil einer Gruppe zu sein, oder der Gruppe, nehme ich an, dann steht man […] vor der Tür, also gibt es eine Ursache und Wirkung“

  • Verbreitung von Konflikten
    „Wenn du eine Sache hast, dann [ist es wichtig], diese nicht unter den Teppich zu kehren, in der richtigen Art zu adressieren, in der richtigen Art zu kommunizieren und sich zum richtigen Zeitpunkt darum zu kümmern.“ 

Die Autoren schlussfolgern, dass ein aktives Konfliktmanagement auch in Angesicht der Tatsache möglicherweise entlassen zu werden, für eine gelingende Trainer-Analysten-Beziehung elementar ist.

Offenheit

  • Ehrlichkeit & Vertrauen
    „Ich denke, das Schlüsselelement ist das Vertrauen zwischen den beiden, dem Trainer und dem Analysten. Sie müssen also in der Lage sein, sich gegenseitig zu vertrauen: der Coach darauf, dass der Analytiker ihm gute Informationen gibt und der Analytiker darauf, dass der Coach die Informationen auf die richtige Art und Weise nutzt.“

  • Zugänglichkeit & eine Meinung äußern
    „Wenn man eine gute Beziehung zu jemandem hat, unabhängig davon, ob man mit ihm übereinstimmt, kann es zwei Wege geben. Man kann mit jemandem gut auskommen, aber beruflich nicht mit ihm übereinstimmen, oder andersherum, aber solange man zumindest eine dieser Beziehungen hat, kann man diese [offenen] Gespräche führen.“

Die Autoren schlussfolgern, dass es für die Beziehung entsprechend wichtig sei, dass der Analyst das Gefühl des Vertrauens auf der fachlichen und idealerweise auch auf der persönlichen Ebene erfährt.

Motivation

  • Verpflichtung gegenüber dem Trainer & Positivität
    „Ich glaube, in den besten Beziehungen ist man manchmal bereit das zu tun, was man vielleicht nicht tun würde, wenn man diese Beziehung nicht mit dem Trainer hätte.“

  • Zusammengehörigkeit & multidisziplinäres Miteinander im Team
    „[Man ist] direkt ermutigt, wenn jemand bereit ist, deine Meinung zu hören basierend auf Deinen Analysen, die du gemacht hast. Ähm, ja, sehr ermutigt und sehr wertgeschätzt von solcher Interaktion.“
    „Die Ansprüche bleiben sehr hoch, sodass die Qualität deiner Arbeit diesen geforderten Ansprüchen genügt. Ich denke, dass dies hilft, die Beziehung über längere Zeit aufrecht zu erhalten.“

Die Autoren schlussfolgern, dass – ähnlich wie in anderen Studien (z. B. [4]) gezeigt – die Motivation die Beziehung beeinflusst und zu einer stärkeren Unterstützung in dieser führt.

Präventive Strategien

  • Bewusstsein für Erwartungen des Trainers & unterwürfige Vermeidung
    „Ich denke, Ergebnisse zu liefern, also Dinge fertig zu stellen oder wie das Einhalten von Fristen usw. – wenn der Trainer oder Manager dich um etwas gebeten hat etwas für eine bestimmte Zeit angefordert hat, weißt du, du hast rechtzeitig zu liefern. Wenn du das nicht schaffst, dann werden sie dich nicht mehr um etwas bitten und die Beziehungen werden zerbrechen."

  • Frühzeitige Verständigung herstellen & Beurteilung dyadischer Präferenzen
    „Man muss sehr schnell verstehen, was sie brauchen und seine Arbeit danach auszurichten, denn, wenn man das nicht tut, fängt man an Probleme zu bekommen“
    „Wirklich klare Richtlinien und ein wirklich gutes Verständnis dessen, was von beiden Seiten verlangt wurde.“

Die Autoren schlussfolgern, dass ihre Ergebnisse ebenso darauf hinweisen, dass der Analyst als dem Trainer untergeordnet eingestuft wird und sich für eine stabile Beziehung entsprechend dieser Rolle zu verhalten habe [4].

Assurance / Zutrauen / Rückhalt

  • Phase des Beziehungsaufbaus & analytische Expertise einbringen
    „Wenn diese Beziehung erst einmal aufgebaut ist, werden einem immer mehr Fragen zur taktischen Seite der Dinge gestellt. Also, sobald ich diese Beziehung aufgebaut hatte, fragten sie mich, und ich fühlte mich offen genug, um Ideen vorzuschlagen, wie Sitzungen geleitet werden könnten und wie wir die Spieler stärker einbinden können und wie wir die Spieler dazu bringen können, sich mehr an den Sitzungen zu beteiligen.“
    „Und am nächsten Tag kommt er herein, und Du hast die erfolgreichen und erfolglosen Flanken aufgeschlüsselt und du sagst, weißt du, nur basierend auf dem, was du den anderen Trainern gesagt hast, hier sind ein paar Kleinigkeiten und das kann er dann den Jungs zeigen.“

Die Autoren schlussfolgern, dass die analytische Expertise des Analysten einen positiven Effekt auf die Beziehung hat und auch dafür verantwortlich sein kann, dass Spieler sich positiv entwickeln.

Unterstützung

  • Gegenseitiger Respekt & bedingungslose Unterstützung
    „Der Chef [Trainer] ist derjenige, der an der Spitze steht und die Entscheidungen trifft. Er hat das letzte Wort bei allem, aber er muss sein eigenes Personal haben, und er muss Mitarbeiter haben, die für ihn arbeiten wollen.“
    „Du musst fast antizipieren, was der Trainer möchte.“
    „Ich habe mit Trainern gearbeitet, die genau wissen, was sie wollen, und sie wollen nicht wirklich davon abweichen, also ist es ein Fall von ‚Das ist es, was du tun wirst, wie du es tun wirst, und das wars!‘"

Die Autoren schlussfolgern, dass sich die Rolle des Analysten gegenüber dem Trainer innerhalb einer mehrjährigen Beziehung verändern kann, bspw. von einer rein unterstützenden Rolle hin zu einer aktiveren, führenden Rolle.

Soziales Netzwerk

  • Vorherige Beziehungen pflegen
    „13 meiner 14 Manager, mit denen ich gut auskomme, stehen immer noch hinter mir. Ich könnte jetzt anrufen und mit ihnen sprechen."
    „Aber auf eine positive Art und Weise, ich wurde gebeten, für frühere Manager zu arbeiten, und ich musste ablehnen. Aber ich denke das zeigt, dass sie mich, meine Ehrlichkeit und meine Beziehung zu ihnen wertschätzen.“

  • Zwanglose Interaktion & sportliche Betätigung
    „Man lernt die Person besser kennen, es ist nicht nur eine Arbeitsbeziehung. Man lernt mehr über die Person außerhalb des Sports, was wiederum der Arbeitsbeziehung zugute kommt.“
    „Auf dem [Tennis-]Platz öffnet man sich und es ist eine gute Interaktion für Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen, nicht nur Trainer und Analysten, aber es gibt die Gelegenheit, ein bisschen Spaß zu haben, ein bisschen zu lachen, ein bisschen zu scherzen, ein bisschen zu wetteifern, und man sieht, wie der Trainer auf verschiedene Arten reagiert.“

Die Autoren schlussfolgern, dass der soziale Kontakt helfen kann, die berufsbezogene Beziehung und das Verständnis füreinander zu stärken.

Macht in der Beziehung

In TAB. 02 finden sich die Ergebnisse zu dem Machtverhältnis in der Trainer-Analysten-Beziehung, basierend auf den Aussagen der sechs interviewten Analysten.

  • Hierarchische Macht
    „Seien Sie respektvoll, das ist manchmal schwierig, wenn Sie niedergeschlagen sind und man um Motivation kämpft. Am Ende des Tages ist er der Manager des Fußballvereins. Ob er nun Respekt verdient oder nicht, man muss ihn ihm geben, denn das ist die Natur der Branche, in der wir arbeiten.“
    „Ich denke, in der Beziehung zwischen Trainer und Analysten ist es oft so, dass, wenn einer der beiden, wenn einer von euch falsch liegt, muss der Analytiker das hinnehmen und sagen: Okay, ich schätze, ich liege falsch.“

Die Autoren schlussfolgern, dass ein Widerstand gegen den Trainer als karrierehinderlich gesehen wird und der Trainer seine formale Autorität gegenüber Analysten ausübt.

  • Aufgabenbezogene Macht
    „Ich höre auf das, was er sagt, und ob es mir gefällt oder nicht, man geht weg und macht es, das ist wohl das Ansinnen des Managers, aber gleichzeitig liegt meine Kompetenz in der Analyse. Darin liegt mein Fachwissen und vielleicht weiß ich mehr als sie, vielleicht weiß ich, wie man Dinge besser machen kann, aber ich habe nicht das Gefühl, dass ich das anbringen kann, ich das Gefühl habe, dass sie es nicht hören wollen oder mich abschießen werden.“
    „Er wäre sehr offen und würde zum Beispiel einen Matchplan für das Wochenende entwickeln. Er könnte sagen: Oh, ich möchte diese Formation spielen, und ich würde sagen, na ja, wenn wir diese Formation spielen, könnte das, das sind die Probleme, auf die wir stoßen könnten. Hast Du darüber nachgedacht, dies zu tun?"

Die Autoren schlussfolgern, dass aufgabenbezogene Macht in beiderseitigem Einvernehmen als legitime Machtausübung vom Trainer über den Analysten gesehen werden kann.

  • Soziale Macht
    „Einen guten gemeinsamen Sinn für Humor zu haben, dann lässt du dich gerne verspotten, mehr als du andere verspottest. Ich denke, das ist ziemlich wichtig“
    „[Soziale Interaktionen außerhalb des Sports] sind großartige Übungen, weil der Manager aufhört, der Manager zu sein und zu der Person wird, mit der man in der Kneipe saß“

Trainer-Analysten-Beziehung vergleichbar zu Trainer-Athleten-Beziehung?

In der Studie konnte gezeigt werden, dass das COMPASS-Modell der Trainer-Athleten-Beziehung auf andere Beziehungen im Sportkontext, hier die Trainer-Analysten-Beziehung, übertragbar ist mit lediglich kleinen Änderungen, die auf den Rollen und Verantwortlichkeiten der Analysten beruhen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass nur die Analysten und nicht die Trainer befragt wurden. Dennoch zeigt sich, dass Analysten als Teil des Trainerstabs durch ein hohes, von Ehrlichkeit und Offenheit geprägtes Arbeitsethos die Beziehung produktiv beeinflussen können. Wenn zugleich präventive Strategien für Konfliktsituationen eingesetzt werden und soziale Interaktionen außerhalb des Sportkontexts stattfinden, steigt die Wahrscheinlichkeit für eine gelingende Arbeit zwischen Trainer und Analysten. Somit kann vor Beginn einer Arbeitsbeziehung sowohl von Trainer als auch Analyst einzeln und gemeinsam definiert und abgesteckt werden, was die Rollen und Verantwortlichkeiten sind. In der Praxis scheint das „COMPASS“-Modell auch geeignet, um den Status quo der eigenen Beziehung zum Trainer bzw. Analysten unter die Lupe zu nehmen und bei Bedarf geeignete Maßnahmen zur Förderung dieser anzugehen.

Die Inhalte basieren auf der Originalstudie „Strategies for maintaining the coach-analyst relationship within professional football utilizing the COMPASS model: The performance analyst’s perspective“, die 2019 im Journal „Frontiers in Psychology“ veröffentlicht worden ist.

Literatur

  1. Bateman, M., & Jones, G. (2019). Strategies for maintaining the coach-analyst relationship within professional football utilizing the COMPASS model: The performance analyst’s perspective. Frontiers in Psychology, 10, 2064.
    Studie lesen
    1. Rhind, D. J., & Jowett, S. (2010). Relationship maintenance strategies in the coach-athlete relationship: The development of the COMPASS model. Journal of Applied Sport Psychology, 22(1), 106-121.

    2. Rylander, P. (2016). Coaches’ bases of power and coaching effectiveness in team sports. International Sport Coaching Journal, 3(2), 128-144.

    3. Weber, R. P. (1990). Basic content analysis (Vol. 49). Sage.

    4. Huggan, R., Nelson, L., & Potrac, P. (2015). Developing micropolitical literacy in professional soccer: A performance analyst’s tale. Qualitative Research in Sport, Exercise and Health, 7(4), 504-520.