Wissen
Spieler mit Führungsqualitäten finden und fördern
Welches Führungsverhalten zeichnet Leadership im Sport aus?
- Es gibt Persönlichkeitsmerkmale die Führungsstärke voraussagen, vor allem aber sind es Verhaltensweisen die in Zusammenhang mit dem Leadership unter Athleten stehen.
- Führungsverhalten und Führungsfähigkeiten können erlernt werden.
- Verschiedene Führungsrollen innerhalb einer Mannschaft erfordern unterschiedliche Führungsqualitäten.
- Wer eine Führungsrolle übernimmt, sollte das Vertrauen und den Respekt der Teammitglieder genießen.
Abstract
Mannschaften sind so stark wie die Persönlichkeiten, die sie führen. Gute Führung fördert den Teamgeist, stärkt die Motivation der Spieler1 und schafft ein Zusammengehörigkeitsgefühl als Mannschaft. Innerhalb einer Mannschaft braucht es verschiedene Führungsrollen, um das Leistungspotenzial des Teams bestmöglich zu entfalten. Wissenschaftler haben untersucht, welche Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften einen Athleten als Führungspersönlichkeit auszeichnen und welche Führungsrollen welche Führungsqualitäten erfordern.
Gute Führung macht den Unterschied
Gute Teamführung ist mit entscheidend für den Erfolg einer Mannschaft. Dabei kommt es nicht allein auf die Führungskompetenzen von Trainern an. Es braucht auch Leadership-Qualitäten innerhalb der Mannschaft, um das Potenzial des Teams bestmöglich zu entfalten [1]. Doch was unterscheidet Spieler mit Führungsqualitäten zu anderen und lässt sich Führungsverhalten trainieren?
Vereinfacht man die Vielzahl verschiedener Führungstheorien, bleiben zwei zentrale Richtungen: Ein Ansatz geht davon aus, dass es auf die Persönlichkeit oder Charaktereigenschaften eines Athleten ankommt, Führungsstärke also gewissermaßen angeboren ist. Der andere nimmt an, dass Führen mehr mit den entsprechenden Verhaltensweisen zu tun hat und Führungskompetenzen erlernt werden können. Eine neue Studie hat diese beiden Sichtweisen zusammengelegt, um die Frage etwas differenzierter zu beantworten und aufzuzeigen, welche Führungsqualitäten ein Athlet mitbringen muss, um ein Leader zu sein. Denn gerade im Mannschaftssport zeigt sich: In einem Team kommt es auf unterschiedliche Führungsrollen (auf und abseits des Spielfelds) an, die von verschiedenen Teammitgliedern übernommen werden können. Jede Rolle verlangt etwas anders gelagerte Führungsqualitäten [2, 3].
Leadership im Team
„Ein guter Leader muss mit gutem Beispiel vorangehen. Es ist nicht glaubwürdig, wenn man das, was man von anderen verlangt, nicht vorlebt“, sagt der langjährige NBA-Profi Dirk Nowitzki im Interview mit der DFB-Akademie. „Er muss gut zuhören, inspirieren und eine Mannschaft mitreißen können.“ Und: „Er weiß, in welcher Situation er motivieren oder kritisieren muss.“ Allerdings ist nicht automatisch ein guter Leader, wer eine Führungsrolle innehat. Um als Leader zu überzeugen und zu einer guten Teamführung beizutragen, kommt es ̶ je nach Führungsrolle im Team ̶ auf unterschiedliche Führungsqualitäten an. Welche das sind, hat die Studie genauer untersucht.
Dafür wurden in zwei Untersuchungen insgesamt 776 Athleten aus 32 Mannschaften auf Profi- und Amateurebene, sowohl Männer als auch Frauen, aus vier verschiedenen Sportarten (Fußball, Volleyball, Basketball und Handball) befragt. Sie wurden am Ende der Saison gebeten, per Fragebogen die Führungsqualität aller ihrer Teammitglieder zu verschiedenen Items der vier Führungsrollen (Zielorientierung, Motivation, Gruppenzusammenhalt und Repräsentanz) zu bewerten.
Welche Spieler haben das Zeug zum Leader in der Mannschaft?
Das Ergebnis: Es gibt zwar Persönlichkeitsmerkmale die Führungsstärke voraussagen, vor allem aber sind es Verhaltensweisen die in Zusammenhang mit dem Leadership unter Athleten stehen. Zwei verschiedene Führungsverhaltensweisen wurden allen vier Führungsrollen als besonders wichtig zugeschrieben: Zum einen die Förderung der Teamarbeit. Jemand wird von anderen vor allem dann als guter Leader wahrgenommen, wenn er fähig ist, ein Wir-Gefühl zu schaffen und den Gruppenzusammenhalt zu festigen. Zum anderen macht einen guten Leader aus, wer eine Vorbildfunktion erfüllt und seinen Mannschaftskameraden ein gutes Beispiel in allen Belangen der Team- bzw. Arbeitskultur ist. Hier zeigt die Studie, dass Athleten, die bereits eine Führungsrolle innehaben, sich selbst als „prototypisch“ für das Team beschreiben. Ihnen gelingt es, nicht nur so wahrgenommen zu werden, dass sie eine gemeinsame Identität als Team etablieren, sondern beweisen ihre Führungsstärke auch, indem sie das Vertrauen in das Team und dessen Leistungsfähigkeit positiv beeinflussen.
Die Studie zeigt auch, dass Persönlichkeitsmerkmale nicht gänzlich irrelevant sind. Insbesondere zwei Charaktereigenschaften machen demnach Führungspersönlichkeiten aus: Extrovertiertheit, also Kontaktfreudigkeit und Aufgeschlossenheit, sowie Eloquenz, also die Fähigkeit, sich sprachlich gut auszudrücken und andere überzeugen zu können. Grundlegende Voraussetzung, damit ein Leader seine Führungsstärke voll ausfüllen kann, ist – über alle Führungsrollen hinweg –, dass seine Teammitglieder ihm vertrauen und ihn respektieren. Trainer sollten deshalb die Teammitglieder in die Entscheidung über die Auswahl eines Teamleaders mit einbeziehen.
Was Trainer berücksichtigen sollten
Führungsfähigkeiten lassen sich lehren und erlernen. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass Führungsqualitäten sich vor allem an Verhaltensweisen festmachen und diese von Persönlichkeitsmerkmalen untermauert werden. Die Erkenntnisse bestätigen neuere Forschungsergebnisse und zeigen: Führungsqualitäten innerhalb der Mannschaft zu erkennen und gezielt auf eine bestimmte Führungsrolle hin zu fördern, kann das entscheidende Quäntchen sein, dass einer Mannschaft zu nachhaltigem Erfolg verhilft.
Die Inhalte basieren auf der Studie “Standing out from the crowd: Identifying the traits and behaviors that characterize high-quality athlete leaders”, die 2019 im Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports veröffentlicht wurde.
1 Anmerkung zum Sprachgebrauch: Im Folgenden wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit in der Regel nur noch die männliche Form verwendet. Es sind damit alle Personen unabhängig von ihrem Geschlecht gemeint.
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Literatur
- Fransen, K., Haslam S.A., Steffens, N.K., Boen, F. (2020). Standing out from the crowd: Identifying the traits and behaviors that characterize high-quality athlete leaders. Scandinavian Journal of Medicine and Science in Sports 30 (4): 766-786.Studie lesen
Cotterill, S. T., & Fransen, K. (2016). Athlete leadership in sport teams: Current understanding and future directions. International Review of Sport and Exercise Psychology, 9(1), 116-133.
Studie lesenFransen, K., Vanbeselaere, N., De Cuyper, B., Vande Broek, G., & Boen, F. (2014). The myth of the team captain as principal leader: Extending the athlete leadership classification within sport teams. Journal of sports sciences, 32(14), 1389-1397.
Studie lesenLoughead, T. M., Hardy, J., & Eys, M. A. (2006). The nature of athlete leadership. Journal of Sport Behavior, 29(2).