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Mentale Erschöpfung im Frauenfußball

Was löst mentale Ermüdung bei Profispielerinnen aus?

Eine Studie beschäftigt sich mit der Frage, was mentale Ermüdung bei Profispielerinnen auslöst?
    • Die befragten Spielerinnen empfinden Reisen zu Auswärtsspielen als belastend, wobei die Müdigkeit mit der Reisentfernung zunimmt.
    • Fußballerinnen brauchen Strategien für bessere Schlafhygiene und für die Bewältigung der Doppelbelastung von Sportkarriere und Arbeit bzw. Ausbildung.
    • Trainer*innen sollten Mannschaftsbesprechungen vor dem Spiel kürzer und effektiver gestalten und weniger explizites Feedback während des Spiels geben.
    • In den Stunden vor dem Spiel dient das Hören von Musik den Spielerinnen sowohl zur Entspannung als auch zur Motivation.
Abstract

Wie mentale Fitness und sportliche Leistungsfähigkeit bei Frauen genau zusammenhängen, ist in der Sportwissenschaft noch wenig untersucht. Um die realen kognitiven Anforderungen von Elitespielerinnen genauer zu beschreiben, hat ein Forschungsteam zehn Nationalspielerinnen in Fokusgruppengesprächen zu den Auslösern mentaler Ermüdung und ihrer wahrgenommenen psychischen Belastung vor einem Spiel befragt. Basierend auf den Studienergebnissen werden praktische Empfehlungen zur Gestaltung relevanter Aspekte des Spieltags gegeben, die zur Minderung der mentalen Belastung der Spielerinnen beitragen können.

Wenn der Kopf nicht mehr mitspielt

Fußball ist auch Kopfsache. Studien haben gezeigt, dass mentale Fitness die sportliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen kann. Mental erschöpfte Spieler sind weniger alert, reagieren langsamer und führen ihre Bewegungen unpräziser aus [1]. Was in der Sportpsychologie als ein subjektiv empfundener Zustand beschrieben wird, entsteht infolge langanhaltender kognitiver, „geistiger“ Belastungen und ist durch Müdigkeitsgefühle, Energiemangel und verminderte Aufmerksamkeit gekennzeichnet [2]. Mentale Ermüdung betrifft nicht nur männliche Fußballprofis, sondern auch Elite-Spielerinnen. Aber betrifft es sie genauso?

Die Frage ist nicht einfach zu beantworten. Die Burnout-Forschung geht davon aus, dass es geschlechterspezifische Unterschiede beim Umgang mit mentaler Ermüdung gibt. Männer und Frauen reagieren unterschiedlich auf mentale Belastung und gehen mit Emotionen und Stress anders um [3]. Wie sich mentale Ermüdung auf die sportliche Leistungsfähigkeit bei Frauen auswirkt, ist in der Sportwissenschaft aber noch wenig untersucht.

Was verursacht mentale Ermüdung bei Fußballspielerinnen? 

Zum einen, weil die vorliegenden Studien zu mentaler Erschöpfung im Fußball vor allem mit männlichen Probanden durchgeführt wurden [1]. Zum anderen kann die Forschung noch nicht genau erklären, was bei männlichen wie weiblichen Elitespielern mentale Ermüdung verursacht. Auch weil die bisherigen Studien zum Thema in kontrollierten Testumgebungen durchgeführt wurden, in denen der Zustand mentaler Ermüdung künstlich erzeugt wurde – zum Beispiel mithilfe eines modifizierten Stroop-Tests (auch: Farb-Wort-Interferenz-Test) oder durch Jonglieren mit Tennisbällen über eine Koordinationsleiter gehend. Solche in einer Laborsituation gewonnenen Befunde zeigen zwar einen Zusammenhang zwischen kognitiver Anforderung und verschiedenen fußballspezifischen Leistungsparameter auf. Sie helfen aber nicht, die realen Ursachen für mentale Ermüdung besser zu verstehen.

10 Nationalspielerinnen berichten, was sie mental erschöpft

Um die realen kognitiven Belastungen von Spitzensportlern genauer zu beschreiben, setzt die neuere Forschung auf qualitative Methoden. Dafür befragen Forschende ausgewählte Betroffene ausführlich zum Thema und erhalten so vielschichtige, detaillierte, subjektive Schilderungen zur Forschungsfrage. Ein Forschungsteam hat zehn Fußballspielerinnen einer Nationalmannschaft in zwei Fokusgruppen eingeteilt und in Gruppengesprächen nach ihren persönlichen Erfahrungen, Auslösern mentaler Ermüdung und ihrer wahrgenommenen psychischen Belastung vor einem Spiel befragt.

Die Teilnehmerinnen standen bei großen europäischen Vereinen unter Vertrag, spielten zwischen 18 und 21 Spiele pro Saison in ihren jeweiligen Ligen und traten mehrmals pro Saison in der Nationalmannschaft an, sowohl innerhalb als auch außerhalb der nationalen Saison. Neben dem Profi-Fußball waren die Teilnehmerinnen teils in Teilzeit, teils in Vollzeit beschäftigt oder absolvierten eine Ausbildung.

Die Auswertung der Fokusgruppengespräche ergab mehrere relevante Themenbereiche, die einen Einfluss auf die mentale Ermüdung haben: Reisen und Doppelbelastung, Mannschaftsbesprechungen, Routinen vor dem Spiel, Umgang mit Erfolgsdruck. Die Ergebnisse im Einzelnen:

Reisen und Doppelbelastung

Profi-Fußballspielerinnen müssen anders als ihre männlichen Kollegen Training und Pflichtspiele auf nationaler und internationaler Ebene nebenbei mit beruflichen Verpflichtungen und Ausbildungszeiten in Einklang bringen. Ihnen bleibt angesichts der Doppelbelastung vergleichsweise weniger Zeit zur Erholung, auch außerhalb der Saison oder in der Winterpause. Die Studienteilnehmerinnen empfinden Reisen zu Auswärtsspielen als belastend, was sich mit anderen Studienerkenntnissen deckt, dass Reisemüdigkeit Sportler psychisch mehr beeinträchtigen als gewöhnliche Trainings- und Wettkampftage [4]. Dabei fühlen sich die Teilnehmerinnen nach längeren Reisen müder als nach kürzeren, was im Gegensatz zum Forschungsstand steht, wonach längere Reisen keine größeren Effekte auf die Spielbereitschaft haben, auch weil das Reisen zu Wettkämpfen komfortabler geworden ist.

Reisemüdigkeit bei Fußballspielerinnen könnte demnach ein ausgeprägteres psychologisches Problem sein, vermuten die Studienautoren und schlagen Schlafhygiene als Ansatz zur Abhilfe vor. Aus der Schlafforschung ist bekannt, dass Frauen im Allgemeinen nachts schlechter schlafen als Männer und sich nach dem Aufwachen unausgeschlafener fühlen [5]. Daher könnten Spielerinnen von besserer Aufklärung über Schlafqualität und Unterstützung für mehr Schlafquantität profitieren.

Fußballspielerinnen brauchen zudem Strategien, um die Doppelbelastung von Sportkarriere und Arbeit oder Ausbildung besser zu bewältigen und mentale Ermüdung zu mindern. Die Studienautoren greifen Vorschläge einer früheren Studie auf [6], die schon bei der Talententwicklung ansetzen – zum Beispiel zur Entwicklung psychologischer Fähigkeiten im Umgang mit Rollenbelastungen.

Mannschaftsbesprechungen

Teambesprechungen sind wichtig, um die Mannschaft optimal auf den Gegner vorzubereiten. Sind sie allerdings zu lang, tragen sie vor dem Spiel zur mentalen Ermüdung bei – gerade in einer Länderspielwoche, wenn ohnehin schon viele Verpflichtungen und Termine für die Spielerinnen anstehen. Die Fokusteilnehmerinnen berichten, dass die Besprechungen oft inhaltlich nichts Neues brächten. Informationen seien oft irrelevant oder wiederholend – anders als in der Halbzeitpause, wenn Trainer*innen kurz und bündig auf den Punkt kämen und wichtige Impulse setzten. Die Studienautoren empfehlen Trainern und Trainerinnen daher, Mannschaftsbesprechungen zu anderen Zeitpunkten anzusetzen und einen prägnanten Ansatz ohne Wiederholungen zu wählen, der die Konzentration der Spielerinnen fördert.

Routinen vor dem Spiel

Wie sich Spieler*innen in der Umkleidekabine vor einem Spiel mental auf den Wettkampf einstellen, beeinflusst die mentale Fitness. Die Teilnehmerinnen nannten mehrheitlich Musik hören als Aktivität vor dem Spiel, was mit Studienerkenntnissen übereinstimmt, wonach Musik hören vor einem Spiel inspirierend und motivierend wirkt und sich positiv auf die Sprintfähigkeit von Fußballerinnen auswirkt [7]. Zudem haben die Gruppengespräche gezeigt, dass die festen Abläufe aus Aufwärmen, Musik hören, Traineransprache in der Kabine keine mentale Ermüdung hervorrufen, was der Auffassung widerspricht, dass eine fußballspezifische Leistungsaufgabe immer mit mentaler Ermüdung verknüpft ist [1]. 

Umgang mit Erfolgsdruck

Im Gegensatz zur Situation in ihren nationalen Ligen ist der interne Erfolgsdruck, der durch die eigenen Teamkolleginnen aufgebaut wird und sich negativ auf die wahrgenommene Leistung auswirkt, laut den Teilnehmerinnen in der Nationalmannschaft größer als der externe Erwartungsdruck, der durch die Öffentlichkeit (Fans, Medien etc.) entsteht. Ein Befund, den die Studienautoren auf die niedrige Weltranglistenposition und das Abschneiden in zurückliegenden Qualifikationsphasen für internationale Turniere zurückführen. Dabei empfinden die Teilnehmerinnen den übermäßigen Einsatz von explizitem Feedback während des Spiels als besonders störend, worunter ihre Konzentrationsfähigkeit leide. Das steht im Einklang mit Forschungserkenntnissen, dass explizite Formen des Feedbacks in einem umgekehrten Verhältnis zur Spielerfahrung stehen und sich negativ auf die sportliche Leistung auswirken können [8].

Frauen ermüden anders als Männer

Die Befragung der zehn Nationalspielerinnen zeigt, dass mentale Ermüdung bei Frauen in Teilen etwas anders gelagert ist als bei Männern. Allerdings ist anzumerken, dass die untersuchte Stichprobe sehr klein ist und die Ergebnisse damit nicht uneingeschränkt zu verallgemeinern sind. Dennoch dürften die gewonnenen Erkenntnisse zumindest als Ausgangspunkt interessant sein, um bessere Testprotokolle zur mentalen Ermüdung bei Frauen zu entwickeln, die im experimentellen Umfeld näher an reale Spielanforderungen heranreichen und somit die tatsächlichen Bedingungen von Frauen im Fußball widerspiegeln. Trainer sollten die Doppelbelastung von Profispielerinnen in den Blick nehmen und Mannschaftsbesprechungen vor dem Spiel kürzer und effektiver gestalten sowie weniger explizites Feedback während des Spiels geben.

Die Inhalte basieren auf der Studie „Understanding the Presence of mental fatigue in elite female football“, die 2022 im „Research Quarterly for Exercise and Sport“ veröffentlicht wurde

Literatur

  1. Thompson, C. J., Smith, A., Coutts, A. J., Skorski, S., Datson, N., Smith, M. R., & Meyer, T. (2022). Understanding the presence of mental fatigue in elite female football. Research Quarterly for Exercise and Sport, 93(3), 504-515.
    Studie lesen
    1. Smith, M. R., Thompson, C., Marcora, S. M., Skorski, S., Meyer, T., & Coutts, A. J. (2018). Mental fatigue and soccer: Current knowledge and future directions. Sports Medicine, 48, 1525-1532.

    2. Boksem, M. A., Meijman, T. F., & Lorist, M. M. (2005). Effects of mental fatigue on attention: An ERP study. Cognitive Brain Research, 25(1), 107-116.

    3. Bensing, J. M., Hulsman, R. L., & Schreurs, K. M. (1999). Gender differences in fatigue: Biopsychosocial factors relating to fatigue in men and women. Medical Care, 1078-1083.

    4. Calleja-Gonzalez, J., Marques-Jimenez, D., Jones, M., Huyghe, T., Navarro, F., Delextrat, A., Jukic, I., Ostojic, S. M., Sampaio, J. E., Schelling, X., Alcaraz, P. E., Sanchez-Bañuelos, F., Leibar, X., Mielgo-Ayuso, J., & Terrados, N. (2020). What are we doing wrong when athletes report higher levels of fatigue from traveling than from training or competition? Frontiers in Psychology, 11, 194.

    5. Groeger, J. A., Zijlstra, F. R. H., & Dijk, D. J. (2004). Sleep quantity, sleep difficulties and their perceived consequences in a representative sample of some 2000 British adults. Journal of Sleep Research, 13(4), 359-371.

    6. Gledhill, A., & Harwood, C. (2015). A holistic perspective on career development in UK female soccer players: A negative case analysis. Psychology of Sport and Exercise, 21, 65-77.

    7. Tounsi, M., Jaafar, H., Aloui, A., Tabka, Z., & Trabelsi, Y. (2019). Effect of listening to music on repeated-sprint performance and affective load in young male and female soccer players. Sport Sciences for Health, 15, 337-342.

    8. Buszard, T., Farrow, D., & Kemp, J. (2013). Examining the influence of acute instructional approaches on the decision-making performance of experienced team field sport players. Journal of Sports Sciences, 31(3), 238-247.