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Richtungswechsel im Nachwuchsfußball

Neue Erkenntnisse aus einer Akademie der englischen Premier League

Athletik
Talententwicklung
Eine Studie zeigt die Bedeutung von Richtungswechseln im Fußball auf.
    • Jugendfußballer führen während eines Spiels im Durchschnitt mehr als 300 Richtungswechsel durch, wobei die Frequenz zu Beginn eines Spiels am höchsten ist und anschließend abnimmt.
    • Hinsichtlich der Spielposition, Größe, Gewicht oder Füßigkeit der Spieler wurden keine signifikanten Unterschiede in der Häufigkeit der Richtungswechsel beobachtet.
    • Die Anzahl an Richtungswechseln, die nach links und rechts sowie nach vorne und hinten durchgeführt wurde, ist vergleichbar.
    • Der Winkel der Richtungswechsel betrug in etwa 77 % der Fälle weniger als 90°, größere Winkel (90°-180°, > 180°) kamen deutlich seltener vor.
    • Die Ergebnisse können als Grundlage für die Erstellung spielnaher Testverfahren, Trainingsinhalte und Return-to-Play-Maßnahmen dienen.
Bedeutung von Richtungswechseln im Fußball

Während eines Fußballspiels müssen sich die Spieler*innen an ständig wechselnde Situationen anpassen. Dies geschieht oft, indem sie ihre Bewegungsgeschwindigkeit und -richtung verändern. Es ist daher wenig überraschend, dass Richtungswechselschnelligkeit als ein wichtiger Leistungsindikator im Fußball angesehen wird [1].

Die Kenntnis, wie oft und in welcher Form Richtungswechsel (englisch: change of direction, COD) während eines Spiels auftreten, ist dabei nicht nur essenziell für die Gestaltung von spielnahen Trainingseinheiten und Testverfahren, sondern auch für athletische Inhalte oder Return-to-Play-Protokolle nach Verletzungen. Umso erstaunlicher ist es, dass die Datenlage zu dieser Thematik relativ überschaubar ist. In diese Forschungslücke stießen kürzlich englische Wissenschaftler, indem sie die oben genannten Charakteristika von Richtungswechseln in einem Nachwuchsleistungszentrum der englischen Premier League analysierten.

Studie mit englischen Nachwuchsfußballern

In der Studie wurden insgesamt 24 Nachwuchsspieler der U18- und U23-Mannschaften eines englischen Premier-League-Clubs während 10 Punktspielen untersucht. Alle Spiele wurden per Videokamera erfasst, die Bestimmung der Richtungswechsel erfolgte per Notationsanalyse in Anlehnung an etablierte Verfahren [2]. Um eine hohe Datenqualität sicherzustellen, wurde die Verlässlichkeit des angewendeten Verfahrens über Wiederholungsmessungen im Rahmen der Studie statistisch geprüft.

Bei der Erfassung der Richtungswechsel während der Spiele wurden nur Situationen berücksichtigt, bei denen der betreffende Spieler nicht den Ball führte. Neben der reinen Anzahl an Richtungswechseln wurden ebenfalls deren Winkel (< 90°, 90-180°, > 180°) und Richtung (links/rechts, vorwärts/rückwärts) bestimmt (vgl. ABB. 01). Um ein möglichst umfassendes Bild zu erhalten, analysierten die Forscher alle genannten Parameter hinsichtlich der Spielposition, der Füßigkeit und der anthropometrischen Merkmale (Größe und Gewicht) der Spieler sowie in Abhängigkeit der Spielminute.

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Mehr als 300 Richtungswechsel pro Spiel

Im Durchschnitt (Mittelwert ± Standardabweichung) führten die Spieler 305 ± 50 Richtungswechsel pro Spiel mit einer Erholungszeit von 19 ± 4 Sekunden durch (siehe TAB. 01). Die Anzahl der Richtungswechsel reduzierte sich von der ersten zur zweiten Halbzeit (169 ± 36 vs. 140 ± 24). Allerdings ist hierbei wichtig zu berücksichtigen, dass die Nettospielzeit in der zweiten Hälfte in der Regel geringer ist, was dieses Ergebnis zumindest teilweise erklären könnte. Trotzdem scheint es, dass die Richtungswechselhäufigkeit zu Beginn eines Spiels am höchsten ist. Dies wird deutlich, wenn man sich die 5 Minuten eines Spiels mit der größten Anzahl solcher Aktionen anschaut – bis auf Flügelspieler erfolgte auf allen Positionen die größte Anzahl an Richtungswechseln in den ersten 5 Minuten eines Spiels, hier zählten die Wissenschaftler im Mittel 25 Aktionen pro Spieler.

Großteil der Richtungswechsel mit Winkeln unter 90°

Die Analysen zeigten keine bedeutsamen Unterschiede zwischen der Anzahl an Richtungswechseln nach links und rechts sowie nach vorn und nach hinten. In puncto athletischer Inhalte sollten daher die Kraft in beiden Beinen gleichermaßen sowie multidirektionale Bewegungsabläufe trainiert werden. Ebenso scheint es keinen Einfluss von anthropometrischen Merkmalen und der Füßigkeit auf die Richtungswechselhäufigkeit zu geben. Damit konnte die Annahme nicht bestätigt werden, dass kleinere und leichtere Spieler häufiger entsprechende Aktionen durchführen.

Eine weitere interessante Erkenntnis der Studie war, dass mit etwa 77 % der Großteil der Richtungswechsel mit Winkeln unter 90° stattfand. Dieses Ergebnis unterstreicht Beobachtungen aus dem Erwachsenenfußball [3] und ist mitunter deshalb wichtig, da der Winkel maßgeblich die Geschwindigkeit und die Technik des Richtungswechsels bedingt. Die englischen Wissenschaftler empfehlen daher, während Leistungstests, im Training oder bei Return-to-Play-Protokollen hauptsächlich mit Winkeln < 90° zu arbeiten. Trotzdem sollten größere Winkel (z. B. > 180°) nicht gänzlich außer Acht gelassen werden, da sie einen – wenn auch eher selteneren – Bestandteil des Spiels darstellen und aufgrund der erhöhten Belastung im Kniegelenk ein entsprechendes Verletzungsrisiko bergen.

Ähnliche Ergebnisse auf den Spielpositionen

Interessanterweise zeigten sich in den Ergebnissen keine Unterschiede zwischen den Spielpositionen hinsichtlich Häufigkeit, Winkel und Richtung der Richtungswechsel. Auch wenn in TAB. 01 die Richtungswechselhäufigkeit der Außenverteidiger deskriptiv höher als die der Flügelspieler erscheint, ist dieser Unterschied nicht statistisch signifikant. Die Autoren merken allerdings an, dass die Stichprobe in der vorliegenden Studie sehr klein war, was vor allem die Aussagekraft der Positionsvergleiche einschränkt. Ebenso können sich die Anforderungen an die Positionen je nach taktischer Formation unterscheiden – die englischen Nachwuchsfußballer spielten standardmäßig in einer 4–3–3-Formation. Es scheint daher für zukünftige Studien sinnvoll, neben der reinen Quantität auch die Qualität der Richtungswechsel, also die verwendete Technik und die Bewegungsausführung, in den Fokus zu nehmen.

Praktischer Nutzen und Fazit

Die Studie aus einem Nachwuchszentrum der englischen Premier League zeigte, dass die Fußballer pro Spiel mehr als 300 Richtungswechsel durchführen, wobei die höchste Anzahl in den ersten Spielminuten beobachtet wurde. Die Spielposition, Anthropometrie und Füßigkeit scheinen dagegen eine kleinere Rolle hinsichtlich der Richtungswechselanforderungen zu spielen. Eine vergleichbare Anzahl an Richtungswechseln wurde nach links und rechts sowie nach vorn und nach hinten durchgeführt, während der Winkel in den meisten Fällen weniger als 90° betrug. Diese Ergebnisse können (Athletik-)Trainer bei der Erstellung geeigneter Testverfahren, Trainingsinhalte und Return-to-Play-Maßnahmen unterstützen. Abschließend ist jedoch anzumerken, dass die untersuchte Stichprobe mit 24 Spielern über 10 Spiele verhältnismäßig klein ist und die Ergebnisse damit nicht uneingeschränkt zu verallgemeinern sind. In zukünftigen Studien (mit größeren Stichproben und längeren Untersuchungszeiträumen) sollten weitere Charakteristika von Richtungswechseln untersucht werden, um daraus belastbarere praktische Empfehlungen ableiten zu können.

Die Inhalte basieren auf der Studie „Change of direction frequency off the ball: New perspectives in elite youth soccer", die 2022 in der Fachzeitschrift „Science and Medicine in Football" veröffentlicht wurde.

Literatur

  1. Morgan, O. J., Drust, B., Ade, J. D., & Robinson, M. A. (2022). Change of direction frequency off the ball: New perspectives in elite youth soccer. Science and Medicine in Football, 6(4), 473-482.
    Studie lesen
    1. Höner, O., Leyhr, D., & Kelava, A. (2017). The influence of speed abilities and technical skills in early adolescence on adult success in soccer: A long-term prospective analysis using ANOVA and SEM approaches. PloS ONE, 12(8), e0182211.

    2. Robinson, G., & O’Donoghue, P. (2008). A movement classification for the investigation of agility demands and injury risk in sport. International Journal of Performance Analysis in Sport, 8(1), 127-144.

    3. Bloomfield, J., Polman, R., & O'Donoghue, P. (2007). Physical demands of different positions in FA Premier League soccer. Journal of Sports Science & Medicine, 6(1), 63-70.