Wissen
Reine Kopfsache?
Wie sich Zielsetzungsstrategien psychologisch auswirken
- Selbstbezogene Ziele führen zu signifikanten Leistungsverbesserungen, wobei Prozessziele am wirksamsten sind und positive psychologische Auswirkungen haben.
- Selbstbezogene Ziele haben einen größeren Effekt als Ergebnisziele.
- Zielsetzungen sind sehr hilfreich für die Leistungsentwicklung. Dabei ist es weniger wichtig, ob Ziele spezifisch oder unspezifisch formuliert sind.
- Zielsetzungsstrategien, die auf Selbstregulation setzen, führen zu mehr Leistungssteigerung.
Abstract
Das Setzen von Zielen ist eine effektive Strategie zur Leistungssteigerung im Hochleistungssport. Das ist in der Forschung gut belegt. Ihre Anwendung ist jedoch kein Selbstläufer. Sportler*innen und Trainer*innen sollten Zieltypen bewusst wählen und sich über die psychologischen Auswirkungen im Klaren sein. Ein systematischer Forschungsüberblick hat den Zusammenhang näher untersucht. Die Erkenntnisse zeigen: Prozessziele haben den größten Effekt auf die Leistungsverbesserung und sind auch psychologisch höchst wirksam. Sie steigern zum Beispiel die Selbstwirksamkeit.
Ziele setzen, an die eigenen Leistungsgrenzen gehen
Ziele im Sport sind – vereinfacht gesagt – die angestrebten Ergebnisse oder Leistungen, die ein Athlet oder eine Mannschaft erreichen möchte. Sie dienen als Orientierungspunkte und Motivationsquelle, um das Training zu strukturieren und die Anstrengungen der Sportlerinnen und Sportler auf eine bestimmte Richtung auszurichten. Was einfach klingt, erweist sich bei näherer Betrachtung als durchaus komplex. Zwar kann die Sportpsychologie gut belegen, dass das Setzen von Zielen eine sehr effektive Strategie zur Leistungssteigerung ist. Allerdings kommt es auf die richtige Zielsetzungsstrategie an.
Dabei wird im Sportkontext zwischen Prozess-, Leistungs- und Ergebniszielen unterschieden: Ergebnisziele dienen als übergeordnete Orientierungspunkte und beschreiben typischerweise das Endergebnis einer Trainingsphase oder den Wettkampferfolg. Prozess- und Leistungsziele legen die Grundsteine für den Weg zum Erfolg. Prozessziele ermöglichen es den Trainierenden, sich auf die Ausführung bestimmter Techniken oder Strategien zu konzentrieren, während Leistungsziele ihnen helfen, ihre individuelle Leistung zu verbessern und zu steigern.
Wie effektiv sind Zielsetzungsstrategien?
Die Entwicklung und Anwendung von Zielsetzungsstrategien ist jedoch kein Selbstläufer, warnen Sportpsycholog*innen. Athlet*innen und Trainer*innen sollten die anvisierten Zieltypen sehr bewusst wählen und sich über die psychologischen Auswirkungen im Klaren sein. Die Forschung zum Thema liefert viele Befunde dafür, dass unterschiedliche Zieltypen qualitativ unterschiedliche psychologische und psychophysiologische Erfahrungen hervorrufen können [1]. Zum Beispiel können Ergebnisziele zwar motivierend wirken, kurz vor oder während des Wettkampfs aber Ängste oder Konzentrationsprobleme auslösen. Die psychologischen Auswirkungen sind in der Forschungsliteratur gut beschrieben. Nicht aber, ob und wie genau sie die Leistung verbessern oder behindern, kritisieren die Autoren einer Metastudie, die den aktuellen Forschungsstand zum Zusammenhang von verschiedenen Zieltypen und Leistungseffekten sowie psychologischen Effekten erhoben hat. Psychologische Erfahrungen wie Angstgefühle, Verlust oder Steigerung von Selbstvertrauen, Motivation, Zufriedenheit mit der eigenen Leistung oder Anstrengungsbereitschaft seien nicht nur unabhängig voneinander von Interesse für die Sportpsychologie. „Ein besseres Verständnis der psychologischen Auswirkungen hilft zu erklären, warum verschiedene Zielsetzungsinterventionen die Leistung verbessern oder behindern“, so die Autoren.
Wo steht die Forschung?
Aus der bestehenden Forschungsliteratur mit über 17 400 Titeln zum Thema zogen die Forscher 27 Studien für ihre Meta-Analyse heran, davon nur sieben aus dem Mannschaftssport: eine aus dem Kontext Fußball und sechs aus den Kontexten Volleyball und Basketball. Insgesamt kam eine Stichprobengröße von 1 764 Teilnehmer*innen zusammen, darunter fast so viel Frauen (794) wie Männer (879), mehrheitlich Erwachsene und größtenteils ohne Vorerfahrung mit dem Thema. Ziel der Forscher war es, den Wissensstand zur Wirksamkeit von Zielsetzungen im Sport zusammenzufassen und zu klären, ob bestimmte Zieltypen unter psychologischen Gesichtspunkten besser zur Leistungsverbesserung beitragen als andere.
Grundsätzlich bestätigt die Analyse die herrschende Meinung in Forschung und Praxis, dass das Setzen von Zielen als Strategie zur Leistungssteigerung eine signifikante, positive Wirkung auf die sportliche Leistung hat. Zentrale Befunde sind erstens: Prozessziele und Leistungsziele führen zu signifikanten Leistungsverbesserungen, wobei der Effekt bei Prozesszielen am größten ist. Ergebnisziele sind indessen nicht hilfreich. Zweitens: Langfristige Ziele haben keinen signifikanten Effekt auf die Leistung. Drittens: Die Effekte sind bei Frauen stärker als bei Männern und Jugendlichen erzielen größere Leistungsverbesserungen als Erwachsene.
Leistungseffekte und psychologische Effekte:
1. Prozessziele sind am wirksamsten
In der Zusammenschau von Leistungsverbesserung und psychologischen Erfahrung überrascht die vorliegende Analyse der Studienlage mit dem Ergebnis, dass Prozessziele für die Steigerung von Leistung und Selbstwirksamkeit vorteilhafter sind als andere Zieltypen. Dem von Albert Bandura aufgestellten Postulat der Selbstwirksamkeit folgend, wird das Vertrauen darauf, herausfordernde Situation aus eigener Kraft heraus meistern zu können, umso mehr gestärkt, je öfter Prozessziele erfolgreich sind [2]. Im Unterschied zur bisherigen Zielsetzungsforschung im Sport, die normalerweise Prozessziele als Ergänzung zu Leistungs- und Ergebniszielen befürwortet [3], sind laut der vorliegenden Analyse auch dann wirksam, wenn sie isoliert gesetzt werden.
Für die Trainingspraxis dürfte die Erkenntnis umso interessanter sein, da die Selbstwirksamkeit nachweislich die Entscheidungsfindung verbessert [4], motivierende Absichten steigert [5] und positiv mit der sportlichen Leistung korreliert ist [6]. Prozessziele helfen also, um nicht nur die Leistung, sondern auch die Selbstwirksamkeit zu verbessern.
2. Selbstbezogene Ziele erfolgreicher als Ergebnisziele
Neben Prozesszielen führen auch Leistungs- und Beherrschungsziele zu nachweislichen Leistungsverbesserungen. Sie mobilisieren die Anstrengungsbereitschaft, steigern das Selbstvertrauen und verringern Ängste. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass eine Kombination von Ergebnis- und Prozesszielen größere Effekte erzeugt als die separate Anwendung dieser zwei Zielarten. In ähnlicher Weise sprechen sich Forscher*innen häufig dafür aus, Prozess- und Leistungsziele mit Ergebniszielen zu ergänzen [3]. Das Problem: Ziele, die auf normativen Vergleichen beruhen und darauf abzielen, andere zu übertreffen, schüren Ängste und senken das Engagement der Athlet*innen. Die vorliegende Analyse konnte einen positiven Effekt der Unterlegung von Prozess- und Leistungszielen mit Ergebnisziele nicht ausmachen und mahnt deshalb zur Vorsicht. Trainer*innen und Athlet*innen sollten lediglich auf solche Ziele fokussieren, die in der Kontrolle der Athlet*innen selbst liegen, und solche nicht anwenden, die ausschließlich darauf basieren, andere zu übertreffen. „Zumindest solange keine weiteren hochwertigen Erkenntnisse vorliegen“, schreiben die Autoren.
3. Spezifische und unspezifische Ziele scheinen gleich wirksam
Bisherige Befunde in der sportpsychologischen Literatur besagen, dass Ziele möglichst spezifisch, konkret und eindeutig formuliert sein sollten. Die vorliegende Analyse legt nahe, dass unspezifische Ziele bei der Steigerung der Aufgabenleistung im Sport ebenso wirksam sind wie spezifische Ziele. Allerdings steht diese Aussage auf wackligen Füßen, da die Autoren auf eine Reihe von methodischen Schwächen verweisen. So haben zum Beispiel viele einbezogene Studien mit Teilnehmenden gearbeitet, die mit der Zielsetzungsintervention und der Unterscheidung von unspezifischen und spezifischen Zielen noch nicht vertraut waren und daher unabhängig davon größere Leistungssprünge gemacht haben. Letztendlich unterstützen die Ergebnisse der vorliegenden Studie ältere Studien [7] und deuten darauf hin, dass auch unspezifische Ziele die Leistung steigern können.
4. Selbstregulation führt zu mehr Leistungssteigerung
Eine weitere Erkenntnis der vorliegenden Analyse: Zielsetzungsinterventionen, die auf Selbstregulation setzen, erzielen größere Leistungssteigerungen, als solche, die auf reine Leistungsziele setzen [8]. Allerdings gilt auch hier einschränkend, dass die große Zahl an Teilnehmenden ohne Vorerfahrung mit der Zielsetzungsintervention, die Ergebnisse verzerrt haben könnten. So kann die Diskussion, ob die Fähigkeiten eines Athleten, Handlungen zu planen und zu regulieren, um sportliche Ziele zu erreichen, besser für die Leistungsverbesserung geeignet sind, als das Setzen spezifischer, herausfordernder Ziele, nicht abschließend geklärt werden.
Fazit
Die studienübergreifende Auswertung bietet keine abschließenden Schlussfolgerungen zu den psychologischen Auswirkungen von Zielsetzungsinterventionen. Nichtsdestotrotz erhärtet die Überblicksstudie die Wirksamkeit von Prozesszielen für die Leistungssteigerung. Damit Zielsetzungsstrategien den gewünschten Effekt erzielen, sollten sie mit Bedacht geplant und gut überwacht werden. Die Interventionen sollten mit Bedacht und im Hinblick auf die psychologischen Auswirkungen konzipiert, umgesetzt und überwacht werden. Systematische Herangehensweise und Überwachung der Prozesse sind notwendig, um zu bestimmen, wann und wo Ziele am effektivsten eingesetzt werden können.
Die Inhalte basieren auf der Studie „The performance and psychological effects of goal setting in sport: A systematic review and meta-analysis“, die 2022 in der Fachzeitschrift „International Review of Sport and Exercise Psychology“ veröffentlicht wurde.
Diese Studie teilen:
Literatur
- Williamson, O., Swann, C., Bennett, K. J., Bird, M. D., Goddard, S. G., Schweickle, M. J., & Jackman, P. C. (2022). The performance and psychological effects of goal setting in sport: A systematic review and meta-analysis. International Review of Sport and Exercise Psychology, 1-29.Studie lesen
Swann, C., Keegan, R., Crust, L., & Piggott, D. (2016). Psychological states underlying excellent performance in professional golfers: “Letting it happen” vs.“making it happen”. Psychology of Sport and Exercise, 23, 101-113.
Bandura, A. (1977). Self-efficacy: Toward a unifying theory of behavioral change. Psychological Review, 84(2), 191-215.
Weinberg, R. S., & Butt, J. (2014). Goal-setting and performance. In A. Papaioannou, & D. Hackfort (Eds.), Routledge companion to sport and exercise psychology: Global perspectives and fundamental concepts (pp. 343–355).
Hepler, T. J., & Feltz, D. L. (2012). Take the first heuristic, self-efficacy, and decision-making in sport. Journal of Experimental Psychology: Applied, 18(2), 154-161.
Chase, M. A. (2001). Children's self-efficacy, motivational intentions, and attributions in physical education and sport. Research Quarterly for Exercise and Sport, 72(1), 47-54.
Moritz, S. E., Feltz, D. L., Fahrbach, K. R., & Mack, D. E. (2000). The relation of self-efficacy measures to sport performance: A meta-analytic review. Research Quarterly for Exercise and Sport, 71(3), 280-294.
Kyllo, L. B., & Landers, D. M. (1995). Goal setting in sport and exercise: A research synthesis to resolve the controversy. Journal of Sport and Exercise Psychology, 17(2), 117-137.
Locke, E. A., & Latham, G. P. (2006). New directions in goal-setting theory. Current Directions in Psychological Science, 15(5), 265-268.