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Kraft- und Konditionstraining global betrachtet

Trainieren Coaches in Südamerika, USA und UK anders als in Europa?

    • Trainer*innen in europäischen Ligen führen weniger formelle Trainingseinheiten durch, legen weniger Wert auf das Krafttraining mit freien Gewichten und führen weniger Schnelligkeits- und Schnellkrafttrainings durch als Trainer*innen in andere Regionen der Welt.
    • Europäische Trainer*innen widmen der körperlichen Entwicklung ihrer Spieler weniger Zeit als britische Trainer.
    • Kraft- und Konditionstrainer*innen in den USA und Südamerika bevorzugen das Maximalkrafttraining mit freien Gewichten.
    • Britische Trainer*innen bevorzugen dagegen das Training mit dem eigenen Körpergewicht.
Abstract

Kraft- und Konditionstrainer*innen in den weltweiten Profiligen arbeiten unter regional unterschiedlichen Vorzeichen. Eine globale Studie hat 170 Trainer*innen befragt, um herauszufinden, wie sich die Methoden im Kraft- und Konditionstraining in Profiteams sowie in Nachwuchsakademien in den USA, dem Vereinigten Königreich, Südamerika und Europa unterscheiden. Das Ergebnis: Die Anwendung von Krafttraining variiert stark zwischen den Regionen. In den USA und in Südamerika hat das Maximalkrafttraining ohne Geräte neben dem regulären Sprint- und Schnellkrafttraining einen größeren Stellenwert als im Vereinigten Königreich und in Europa.

Wird körperliche Fitness regional anders trainiert?

Klassisches Krafttraining fand im Fußball lange Zeit keine Beachtung. Mehr Muskeln führten zu mehr Gewicht und das mache die Spieler*innen langsamer, so eine veraltete Sichtweise. Inzwischen hat sie einem modernen Verständnis von Kraft- und Konditionstraining, welches im englischen Sprachgebrauch als „Strength and Conditioning“ (S&C) bezeichnet wird, Platz gemacht. Und das nicht ohne Grund, denn die körperliche Fitness der Spieler*innen hat heute einen höheren Stellenwert als je zuvor.

Die Entwicklung bzw. Erhaltung konditioneller Fähigkeiten, wie Maximalkraft, Schnellkraft und Kraftausdauer, bedürfen stetiger Arbeit. Doch welche Methoden bevorzugen S&C-Coaches in den Profiligen der Welt? Die Trainingspraxis wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst, die sich in den verschiedenen Regionen der Erde teilweise stark unterscheiden. Auch sind die Strukturen der Nachwuchsarbeit und der Talententwicklung in den Eliteakademien regional verschieden: Junge Spieler*innen treten zum Beispiel in England viel früher in die Nachwuchsleistungszentren ein als in Brasilien; in den USA ist das Zubringersystem aus dem Hochschulsport in professionelle Vereine gänzlich anders organisiert als anderswo. „Das Zusammentreffen dieser Faktoren kann die Konzepte der S&C-Coaches durchaus beeinflussen und zu regional stark voneinander abweichenden Trainingsansätzen führen“, vermutet der britische Sportwissenschaftler Stephen McQuilliam. Werden die körperliche Fitness und die sportliche Entwicklung von Profispieler*innen und Nachwuchstalenten in der Praxis wirklich optimal gefördert? Eine Forschungslücke, sagt McQuilliam.

Mit seinem Forschungsteam hat er 170 S&C-Coaches im Profi- und Akademiefußball in den USA, Südamerika, dem Vereinigten Königreich und Europa befragt. Erhoben wurden die akademischen Qualifikationen und Trainererfahrungen sowie die bevorzugten Methoden und Tests, für die Kraft- und Leistungsentwicklung, für das Schnellkraft- bzw. Explosivkrafttraining (plyometrisches Training), die Geschwindigkeitsentwicklung und die Periodisierung.

Unterschiede von Region zu Region

Die Umfrage zeigt: Das S&Q-Training im Fußball ist in unterschiedlichen Regionen der Welt verschiedentlich ausgerichtet. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Dauer und Häufigkeit von formalen Kraft- und Konditionierungseinheiten als auch für die verwendeten trainingsmethodischen Ansätze.

Britische Nachwuchsspieler*innen starten am jüngsten ins Krafttraining

Das Alter, in dem Nachwuchsspieler*innen in den Akademien mit einem formalen Kraft- und Konditionstrainingsprogramm beginnen, unterscheidet sich nicht wesentlich von Region zu Region. Nur auf der Insel starten die Nachwuchsspieler*innen deutlich jünger ins Krafttraining – und haben damit eventuell größere Chancen, ihr physisches Potenzial auszuschöpfen: Werden Athlet*innen schon vor Erreichen ihres maximalen Wachstumsschubs (engl.: peak height velocity, PHV) systematisch in ein S&C-Programm eingeführt, können sie ihre motorischen Kapazitäten im Erwachsenenalter besser entfalten und sind auf komplexere Trainingsansätze besser vorbereitet [1].

Leistungstests werden regional unterschiedlich bewertet

S&C-Programme bauen auf körperlichen Leistungstests auf. Die befragten Trainer*innen messen der Sprung- und Sprintleistung in allen Regionen der Welt eine ähnliche Bedeutung bei, was verständlich ist, wenn man bedenkt, welche Rolle explosive Aktionen im modernen Fußball spielen. Obwohl Be- und Entschleunigungen sowie Richtungswechsel die häufigsten Bewegungsmuster vor einem Torerfolg sind [2], wurde die Testung dieser Fähigkeiten unterschiedlich priorisiert. Im Vergleich zu ihren europäischen und südamerikanischen Kolleg*innen legt ein größerer Teil der britischen und amerikanischen S&C-Coaches besonderes Gewicht auf die Testung von Richtungswechseln. Zwar sind diese Aktionen anaerob, finden aber während eines Fußballspiels in einem hochgradig aeroben Setting statt. Die Bedeutung dieser besonderen Konstellation schätzen die befragten Trainer*innen regional unterschiedlich ein, wobei ein geringerer Anteil der britischen S&C-Coaches die anaerobe Fitness in den Leistungstests bewertet als die US- und südamerikanische Trainer*innen. Von den britischen S&C-Coaches hingegen gaben 91 % an, die aerobe Fitness zu bewerten, mehr als die Befragten in den USA und Südamerika.

Welche Methoden werden im Kraft- und Konditionstraining weltweit bevorzugt?

Die Studie zeigt, dass insgesamt britische S&C-Coaches mehrheitlich auf das Training mit dem eigenen Körpergewicht – also Übungen wie Kniebeugen, Ausfallschritte und Liegestütze – setzen und dies auch als wichtigste Trainingsmethode ansehen. Hinsichtlich der Belastungsgestaltung (Intensität, Anzahl der Sätze bzw. Wiederholungen) bei dieser Art des S&C-Trainings, konnten keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen festgestellt werden. Dies ist allerdings auch auf die hohe Variabilität in den Antworten zurückzuführen. Interessanterweise gaben die befragten S&C-Coaches bevorzugte Belastungsmodalitäten an, die eher auf Hypertrophie bzw. Kraftausdauer (mehr als sechs Wiederholungen) abzielen (vgl. ABB. 01), obwohl das primäre Trainingsziel während der Saison vorrangig im Aufbau bzw. dem Erhalt der Kraft liegen sollte [3, 4].

Vor allem für junge Nachwuchsspieler*innen eignet sich das Training mit dem eigenen Körpergewicht, um Übungstechniken zu erlernen und eine Kraftbasis zu entwickeln. Allerdings ist dabei die Entwicklung der Maximalkraft beschränkt, insbesondere wenn die Fußballer*innen erfahrener werden [5]. Anders als im Vereinigten Königreich halten befragte S&C Coaches aus dem Profibereich in den USA das Freihanteltraining für die wichtigste Trainingsmethode. Trainer*innen in Südamerika setzen dagegen mehrheitlich auf das Krafttraining an Maschinen.

Britische und amerikanische S&C-Coaches lassen ihre Spieler*innen am häufigsten vor ihren europäischen Kollegen in der Woche Explosivität trainieren, während südamerikanische Trainer*innen eher auf Schnelligkeitstraining setzen. Maximalkraft halten die meisten britischen (59 %), gefolgt von südamerikanischen (46 %) und US-amerikanischen (36 %) S&C-Coaches für wichtig. Europäische Trainer*innen messen dem Maximalkrafttraining weniger Bedeutung bei (29 %).

Wie viel Zeit verwenden Trainer*innen weltweit auf das Kraft- und Konditionstraining?

Deutliche Unterschiede gibt es in der Häufigkeit und Periodisierung der Trainingseinheiten während einer Trainingswoche. Europäische S&C-Coaches aus dem Profibereich wenden im Vergleich weniger Zeit für formale Trainingseinheiten auf als ihre Kolleg*innen in anderen Regionen der Welt. Südamerikanische Trainer*innen setzen deutlich mehr und längere Trainingseinheiten in der Saisonvorbereitung an als britische und europäische Coaches. Dass dem Kraft- und Konditionstraining in der Vorbereitungsphase mehr Raum gegeben wird, könnte die Anzahl und Schwere von Verletzungen in der Saison senken und die Mannschaftsleistung verbessern.

Innerhalb der Saison nimmt das Kraft- und Konditionstraining unterschiedlichen Raum ein. Weil sich die Hauptbelastung ins Spiel verlagert, bleibt bei überfüllten Spielplänen mit Blick auf notwendige Erholungsphasen oft nicht ausreichend Zeit für das Kraft- und Konditionstraining. Wenn, dann werden solche Einheiten in den USA, in Europa und im Vereinigten Königreich mehrheitlich am vierten Tag vor einem Spiel (MD-4) angesetzt. Dabei widmen Trainer*innen in Europa dem Schnellkrafttraining weniger Zeit als andere Gruppen und setzen weniger reine Schnelligkeitseinheiten pro Woche an, als Trainer*innen in Südamerika und USA.

Position des DFB zum Kraft- und Konditionstraining

Insgesamt verfolgt der DFB bei seinem fußballspezifischen Fitnesstraining einen ganzheitlichen Ansatz, der sowohl die körperlichen als auch die kognitiven Aspekte des Fußballs berücksichtigt. Dementsprechend sollte das Kraft- und Konditionstraining nicht isoliert betrachtet werden, sondern stets auf die spezifischen Anforderungen des Spiels zugeschnitten sein. Idealerweise werden in den verwendeten Trainingsformen noch weitere wesentliche Komponenten wie Wahrnehmung und Entscheidungsfindung sowie technisch-taktische Elemente bedient.

Fazit

Der Fußball macht das Kraft- und Konditionstraining mittlerweile zu einer wahren Wissenschaft. Dennoch weichen die Prioritäten und Methoden in den Trainerstäben in den Ligen der Welt regional voneinander ab. Die befragten Trainer*innen in Europa führen weniger formelle Trainingseinheiten durch, legen weniger Wert auf Freihanteltraining und setzen seltener Sprint- und Schnellkrafttrainingseinheiten an als die befragten Trainer*innen in anderen Regionen der Welt. In britischen Teams widmen Trainer*innen dem S&C-Training zwar mehr Zeit als ihr Kolleg*innen in europäischen Kadern, erachten aber das Training mit dem eigenen Körpergewicht als wichtigste Methode, die gleichwohl als suboptimal für die Entwicklung der Maximal- und Schnellkraft angesehen wird. Die Trainingspraxis in den USA und Südamerika, die mehr auf das Freihanteltraining neben regelmäßigen Sprint- und Schnellkrafttraining setzt, ist sportwissenschaftlich fundierter. Britische Nachwuchsspieler*innen steigen in einem jüngeren Alter in das formale Kraft- und Konditionstraining ein, was ihnen womöglich spätere Leistungsvorteile verschafft. Die Studienerkenntnisse können helfen, das Kraft- und Konditionstraining optimaler und gezielter durchzuführen.

Die Inhalte basieren auf der Studie „Global differences in current strength and conditioning practice within soccer“, die 2022 im „International Journal of Sports Science & Coaching“ veröffentlicht wurde.

Literatur

  1. McQuilliam, S. J., Clark, D. R., Erskine, R. M., & Brownlee, T. E. (2022). Global differences in current strength and conditioning practice within soccer. International Journal of Sports Science & Coaching, 17479541221136048.
    Studie lesen
    1. Myer, G. D., Lloyd, R. S., Brent, J. L., & Faigenbaum, A. D. (2013). How young is 'too young' to start training? ACSM's Health & Fitness Journal, 17(5), 14-23.

    2. Martínez-Hernández, D., Quinn, M., & Jones, P. (2023). Linear advancing actions followed by deceleration and turn are the most common movements preceding goals in male professional soccer. Science & Medicine in Football, 7(1), 25-33.

    3. Haff, G. G., & Triplett, N. T. (Eds.). (2015). Essentials of strength training and conditioning 4th edition. Human Kinetics.

    4. Kraemer, W. J., & Ratamess, N. A. (2004). Fundamentals of resistance training: Progression and exercise prescription. Medicine & Science in Sports & Exercise, 36(4), 674-688.

    5. Suchomel, T. J., Nimphius, S., Bellon, C. R., & Stone, M. H. (2018). The importance of muscular strength: Training considerations. Sports Medicine, 48(4), 765-785.