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Infiziert, isoliert, irritiert? Einfluss von Coronainfektionen auf die Psyche

Studie zum psychischen Wohlbefinden von Fußballspielern während der Pandemie

Symbolfoto: Ein nachdenklicher Fussballspieler vor dem Spiel.
    • Infizierte Spieler zeigten bei allen erfassten Merkmalen einen höheren Score, d. h., ein tendenziell geringeres psychisches Wohlbefinden.
    • Fußballspieler mit einem höheren prozentualen Einkommensverlust zeigten höhere Werte bzgl. Depression, Stress und negativen psychischen Stress.
    • Trainer und Teamkollegen können psychisches Wohlbefinden positiv beeinflussen, indem sie Kontakt halten und Spielern neue Aufgaben zuweisen.
Abstract

Verletzungen sowie Krankheiten beeinflussen Fußballerinnen und Fußballer1 auf verschiedenen Ebenen. Dies kann sich auf sportlicher (z. B. Verlust sportlicher Fitness), sozialer (z. B. fehlender Kontakt zu Mitspielern), emotionaler (z. B. Frust), motivationaler (z. B. Motivationsverlust) sowie beruflicher und finanzieller (z. B. Einkommenseinbußen) Ebene widerspiegeln. Eine Coronainfektion samt Isolation geht aktuell mit unklaren gesundheitlichen Folgen sowie meist einer zeitlich begrenzten Isolation einher. Anhand der Befragung von 523 Fußballspielern der ersten vier türkischen Ligen zeigen die Studienautoren, dass Corona-positive im Vergleich zu nicht infizierten Fußballspielern eher Zeichen von Depression, Angst, Stress und negativen psychischen Stress zeigen. Dies unterstreicht nach Auffassung der Wissenschaftler, neben der Relevanz einer medizinischen Behandlung, auch die Wichtigkeit eines (sport-)psychologischen Monitorings und Unterstützungssystems infizierter Fußballspieler, insbesondere während der Isolation bzw. Quarantäne.

Einfluss von Verletzungen und Krankheiten auf die Psyche

Verletzungen und Krankheiten gehören zum Fußball wie persönliche Strafen durch den Schiedsrichter. Im Lauf der Karriere hat jeder Spieler damit zu tun, manche regelmäßig, andere nur punktuell. Manche erleben wenige schwerwiegende Krankheiten, Verletzungen oder persönliche Strafen, während andere permanent mit kleineren Rückschlägen zu kämpfen haben. Neben sportlichen (z. B. Verpassen von Spielen) und körperlichen (z. B. kurzfristiger Leistungsabfall) Folgen, können Verletzungen und Krankheiten auch Einfluss auf psychologische Aspekte, wie beispielsweise das psychische Wohlbefinden, haben [1]. Gleichzeitig kann die psychologische Verarbeitung Einfluss auf den Rehabilitations- und Wiedereingliederungsprozess haben, z. B. die Kontrollüberzeugung oder Selbstwirksamkeitserwartung [2]. Gleichzeitig wird das Thema der psychischen Gesundheit sowohl medial als auch professionell im Fußball vermehrt berücksichtigt (z. B. durch öffentliche Stellungnahmen bekannter Spieler und Präventionskonzepte an den Leistungszentren, z. B. FSV Mainz 05 psychosoziales Verletzungsmanagement). 

Coronainfektion als besondere Krankheit für Fußballspieler

Vor diesem Hintergrund kann eine Coronainfektion als eine besondere Art der Krankheit bzw. Verletzung aufgefasst werden, da diese (a) mit notwendiger zeitlich begrenzter Isolation bzw. Quarantäne sowie (b) ungewissen gesundheitlichen Langzeitfolgen einhergeht. Aufgrund der Wechselwirkung zwischen Körper und Psyche ist es daher interessant, welchen Einfluss eine solche Coronainfektion auf die Psyche von Leistungsfußballern hat. Um dies zu untersuchen, haben vier türkische Wissenschaftler über 500 professionelle Fußballspieler der ersten vier türkischen Ligen im Alter von 18-39 Jahren befragt. Davon waren 201 Spieler positiv auf das Coronavirus getestet worden und somit in Isolation.

Fragebögen zur Erfassung von Depression, Angst und psychischem Stress

In der vorliegenden Studie wurden zwei Fragebögen zur Erfassung der Psyche verwendet. Zum einen wurden die Depressions-Angst-Stress-Skalen (DASS) verwendet. Hierbei handelt es sich um ein Verfahren, welches vor allem in der Schmerzforschung und -behandlung eingesetzt wird. Der Fragebogen besteht aus drei Skalen zu je sieben Items: Depression, z. B. Ich konnte überhaupt keine positiven Gefühle mehr erleben; Angst, z. B. Ich habe meinen Herzschlag gespürt, ohne dass ich mich körperlich angestrengt hatte (z. B. Gefühl von Herzrasen oder Herzstolpern); Stress, z. B. Ich fand alles anstrengend [3].

Weiterhin verwendeten die Forscher die K10-Skala für unspezifischen psychischen Distress von Kessler: Ein Screeninginstrument nach psychischer Störung und Symptomen innerhalb der letzten 30 Tage, bestehend aus 10 Fragen. Distress bedeutet dabei negativer psychischer Stress [4]. Beispielfragen sind Wie häufig fühlten Sie sich in den letzten 30 Tagen … ohne ersichtlichen Grund erschöpft? oder … so nervös, dass Sie nichts beruhigen konnte? [5].

Negativer Einfluss von Coronainfektionen auf psychisches Wohlbefinden

Im Vergleich zwischen gesunden und coronainfizierten Spielern, zeigten sich signifikante Unterschiede auf allen vier erhobenen Variablen Depression, Angst und Stress (DASS) und negativer psychologischer Stress (K10). Infizierte Spieler zeigten dabei stets höhere Werte, d. h., negativere Ausprägungen, die auf ein eingeschränktes psychisches Wohlbefinden hindeuten (vgl. TAB. 01).

Alleinlebende Spieler berichteten zudem höhere Angstwerte im Vergleich zu Spielern, die mit anderen Personen (d. h., meist Familie) zusammenwohnten. Ebenso zeigt sich, dass jüngere Spieler (Alter: 18-22 Jahre) kleinere Werte in Bezug auf Depression, Angst und negativen psychischen Stress erreichten und somit scheinbar besser mit der Situation umgehen konnten. Letztlich berichteten die Spieler mit höherem relativem Einkommensverlust höhere Depressionswerte, höheren Stress und negativen psychischen Stress im Vergleich zu Spielern mit geringerem Einkommensverlust.

Wie können Trainer und Teamkollegen unterstützen?

Corona-positive Spieler berichten im Vergleich zu gesunden Spielern höhere Beeinträchtigungen ihres psychischen Wohlbefindens. Sollte ein Teammitglied Corona-positiv sein und sich in häuslicher Isolation befinden, ist das Aufrechterhalten der Kommunikation eine Möglichkeit, den Spieler sozial aufzufangen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Spieler kein eigenes familiäres Netz vor Ort hat. Hier kann der Trainer bspw. einen Mitspieler bestimmten, der sich täglich mindestens zwei Mal (z. B. morgens und abends) telefonisch bei der isolierten Person meldet. Außerdem kann diese Zeit vermehrt für Videoanalysen genutzt werden. Neben dieser sozialen und fachlichen Eingebundenheit können Spieler diese Zeit auch nutzen (sofern sie symptomfrei bleiben), um Hobbys und Tätigkeiten nachzugehen, die sie sonst vernachlässigen, z. B. das Lernen einer Fremdsprache, Musizieren oder Bücher lesen. Zugleich kann ein enger Austausch mit dem medizinischen Personal Unsicherheiten aus dem Weg räumen und eine Kontrollüberzeugung herstellen. Es lohnt sich, die psychologischen Grundbedürfnisse soziale Eingebundenheit (z. B. Kontakt zum Team), Kompetenzerleben (z. B. Gegnervorbereitung auf Video erstellen) und Autonomieerleben (z. B. selbst entscheiden, wie eng der Kontakt zur Mannschaft ausfällt) während der Isolation von Spielern im Blick zu behalten [6], um so (a) die Beeinträchtigung des Wohlbefindens zu reduzieren, und [b] die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass der Spieler erholt und motiviert aus der unfreiwilligen Pause zurückkehrt. 

Die Inhalte basieren auf der Originalstudie „The psychological impact of COVID-19 infection on athletes: example of professional male players”, die 2021 im Journal “Science and Medicine in Football” veröffentlicht worden ist.

1 Anmerkung zum Sprachgebrauch: Im Folgenden wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit in der Regel nur noch die männliche Form verwendet. Es sind damit alle Personen unabhängig von ihrem Geschlecht gemeint.

Literatur

  1. Lima, Y., Denerel, N., Öz, N. D., & Senisik, S. (2021). The psychological impact of COVID-19 infection on athletes: example of professional male football players. Sci Med Footb, 5(sup1), 53-61.
    Studie lesen
    1. Brewer, B. W. (2007). Psychology of sport injury rehabilitation.

    2. Goddard, K., Roberts, C. M., Byron-Daniel, J., & Woodford, L. (2021). Psychological factors involved in adherence to sport injury rehabilitation: a systematic review. Int Rev Sport Exerc Psychol, 14(1), 51-73.

    3. Nilges, P., & Essau, C. (2015). Die Depressions-Angst-Stress-Skalen. Der Schmerz, 29(6), 649-657.

    4. Selye, H. (1975). Stress and distress. Comprehensive therapy, 1(8), 9-13.

    5. Giesinger, J., Rumpold, G., & Schussler, G. (2008). German version of the K10-Screening Scale for psychological distress. Psychosomatik und Konsiliarpsychiatrie, 1(2), 103-110.

    6. Podlog, L., & Eklund, R. C. (2010). Returning to competition after a serious injury: the role of self-determination. J Sports Sci, 28(8), 819-831.