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Übertragung des Coronavirus beim Fußball: Wie hoch ist das Risiko?

Videoanalyse-Studie weist Unbedenklichkeit nach

    • Das Übertragungsrisiko des Coronavirus beim Fußballspielen im Freien ist sehr gering.
    • Eine umfangreiche Videoanalyse von Spielen ergab, dass übertragungsrelevante Kontakte nur selten auftreten und von sehr kurzer Dauer sind (< 3 Sekunden).
    • Infektionen bei Fußballspielern traten bei nicht fußballerischen Aktivitäten auf und waren im privaten und beruflichen Umfeld zu finden.
    • Es sollten Hygienemaßnahmen ergriffen werden, welche sich auf Infektionsquellen außerhalb des Spielfelds konzentrieren.
Abstract

Die vorliegende Studie untersucht das Übertragungsrisiko des Coronavirus beim Fußball. Hierfür wurden 104 Spiele und Trainingseinheiten ermittelt, an denen 165 mit dem Virus infizierte Spieler teilgenommen haben. Dabei wurden 1071 Verdachtsfälle aus den Bereichen Profi- bis Jugendfußball nach vorab festgelegten Kriterien ausgewertet. Im nächsten Schritt wurde systematisch untersucht, ob es im Zeitraum von 14 Tagen nach dem Training oder Spiel zu weiteren Infektionen innerhalb des eigenen bzw. des gegnerischen Teams gekommen ist. Mit den mehrmals wöchentlich stattfindenden PCR-Tests im Profibereich wurde in 38 Spielen und 6 Trainingseinheiten keine Übertragung nachgewiesen. In den 60 Fällen (28 Spiele, 32 Trainingseinheiten) aus dem Amateur- und Jugendbereich konnte eine Virusübertragung auf dem Spielfeld nur in 2 Fällen nicht eindeutig ausgeschlossen werden. Zusätzlich konnte anhand einer Videoanalyse von 21 Spielen im Profi-, Amateur- und Jugendbereich gezeigt werden, dass übertragungsrelevante Kontakte nur selten auftraten und von sehr kurzer Dauer waren. Dementsprechend schätzen die Autoren das Risiko einer Virusübertragung auf dem Spielfeld als sehr gering ein. Die tatsächlichen Infektionsquellen konnten ausschließlich im privaten und beruflichen Umfeld identifiziert werden und ergaben sich teilweise aus der Nichteinhaltung geltender Hygieneregeln.

Hintergrund

Während der COVID-19-Pandemie wurden vom DFB und von der DFL verschiedene Hygienemaßnahmen zur Eindämmung der Übertragung des Coronavirus (SARS-CoV-2) eingeführt. Kommt es trotzdem zu Infektionen mit dem Virus, stellt sich die Frage, ob diese beim Training oder Wettkampf oder in einem anderen Umfeld (beispielsweise in Alltagssituationen) erfolgt sind. Um das Übertragungsrisiko auf dem Spielfeld besser einschätzen zu können, haben die Autoren einer kürzlich veröffentlichten Studie 104 Spiele und Trainingseinheiten genauer untersucht, an denen 165 mit SARS-CoV-2 infizierte Spieler teilgenommen haben. Diese rekrutierten sich aus verschiedenen National- und Profimannschaften unterschiedlicher europäischer Länder sowie dem deutschen Jugend- und Amateurbereich. Für jeden in die Studie eingeschlossenen Spieler lag ein positiver PCR-Test vor, welcher binnen 48 Stunden nach dem entsprechenden Ereignis erhoben wurde. Somit war von einer erheblichen Wahrscheinlichkeit einer Infektion am Spiel- bzw. Trainingstag auszugehen.

Keine Virusübertragungen im Profibereich

Im Profifußball sind regelmäßige, d. h., mindestens zweimal pro Woche und maximal 48 Stunden vor einem Spiel stattfindende PCR-Testungen aller Beteiligten (Spieler, Trainer, Betreuer, Schiedsrichter, etc.) vorgeschrieben. Daher waren potenzielle Virusübertragungen auf exponierte Mitglieder des eigenen bzw. gegnerischen Teams sowie der am Spiel beteiligten Offiziellen im Nachhinein sehr gut nachvollziehbar. In allen 44 Fällen (6 Trainingseinheiten, 38 Spiele) im Profibereich mit potenziell infizierten Spielern kam es innerhalb von 14 Tagen nach dem relevanten Ereignis zu keinem weiteren positiven Testergebnis der Gegner. Folglich konnte eine Virusübertragung auf dem Spielfeld komplett ausgeschlossen werden.

Mögliche Infektionsquellen sind eher im privaten und beruflichen Umfeld zu finden

Im Amateur- und Jugendbereich konnte nur in etwa der Hälfte der Fälle auf engmaschige Testungen zurückgegriffen werden. Daher bestand die Nachverfolgung zusätzlich aus einer 14-tägigen Symptomüberwachung in Kombination mit freiwilligen oder angeordneten PCR-Tests. Diese wurden in 31 von 60 Fällen (14 Trainingseinheiten und 17 Spiele) durchgeführt, wobei in 94% dieser Fälle alle exponierten Spieler SARS-CoV-2-negativ blieben. Dementsprechend konnte eine Virusübertragung auf dem Spielfeld in zwei Fällen nicht eindeutig ausgeschlossen werden. In einem Fall wurden neun Spieler (darunter sieben Spieler der gegnerischen Mannschaft) innerhalb von 3-5 Tagen nach dem relevanten Ereignis positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Allerdings meldeten beide Mannschaften Übertragungsereignisse im privaten bzw. Vereinsumfeld (COVID-19-Ausbruch im gegnerischen Verein) als deutlich wahrscheinlichere Ursache. Im zweiten Fall wurden 11 Spieler (darunter ein Spieler der gegnerischen Mannschaft) innerhalb von 4-7 Tagen positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Als mögliche Infektionsquelle wurde von einer Mannschaft eine gemeinsame Busfahrt mit einem bis dato asymptomatischen infizierten Spieler angegeben, bei der keine Gesichtsmasken getragen wurden (10 Spieler und mehrere Mitarbeiter wurden positiv getestet). Der Spieler der gegnerischen Mannschaft meldete ein Übertragungsereignis in seinem beruflichen Umfeld.

Videoanalyse als Mittel zur Risikoabschätzung

Ein wesentlicher methodischer Ansatz der Studie bestand in einer systematischen Videoanalyse von Fußballspielen, mit dem Ziel, übertragungsrelevante Kontakte zu identifizieren. Dafür wurde 21 Spiele mit 34 infizierten Spielern von zwei Videoanalysten unabhängig voneinander ausgewertet. Die durchschnittliche Spielzeit der untersuchten Spieler betrug etwa 70 Minuten. Um alle potenziellen Übertragungswege (enge Kontakte, Tröpfcheninfektion und Aerosole) abzubilden, lag das Hauptaugenmerk auf Selbstberührungen mit der Hand (insbesondere der Schleimhäute im Gesicht) und auf infektionsrelevanten Kontakten zwischen mehreren Spielern (z. B. Zweikämpfe, Handschläge, Gespräche, Gruppenbildungen) und deren Ausrichtung zueinander. Auch wenn das Übertragungsrisiko im Freien um ein Vielfaches geringer ist als in geschlossenen Räumen, kommt das Szenario einer Infektion durch Tröpfchen oder Aerosole unter gewissen Umständen dennoch infrage. In diesem Zusammenhang spielen vor allem frontale Kontakte, also jene von Angesicht zu Angesicht, eine entscheidende Rolle. Diese treten beispielsweise bei Unterhaltungen mit anderen Spielern oder dem Schiedsrichter auf. Auch in Erwartung eines Eckballs stehen sich Gegenspieler oftmals face-to-face in einem kurzen Abstand gegenüber.

Übertragungsrelevante Kontakte sind selten

Es konnte gezeigt werden, dass sich die Spieler während des Spiels nicht häufiger ins Gesicht fassen als es für Alltagssituationen bekannt ist. Weiterhin hatten die infizierten Spieler in neun von 10 Fällen weniger als einen frontalen Zweikampf pro Spielstunde, welcher in keinem Fall länger als drei Sekunden dauerte. Gespräche von Angesicht zu Angesicht fanden maximal viermal in einer Stunde statt und hatten eine maximale Dauer von sechs Sekunden. Gruppenbildungen (Torjubel, Standardsituationen) dauerten höchstens 16 Sekunden und traten bei 90% der Spieler weniger als dreimal pro Stunde auf. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass körperliche Kontakte nur selten auftraten und nur von kurzer Dauer waren. Da das Übertragungsrisiko allerdings maßgeblich von der Kontaktdauer abhängt, schlussfolgerten die Autoren, dass die Wahrscheinlichkeit einer Infektion mit SARS-CoV-2 beim Fußball unter freiem Himmel ausgesprochen gering ist.

Virusübertragungen durch den Ball sind unwahrscheinlich

Neben den intra- und interpersonalen Kontakten, ist auch eine Schmierinfektion über Oberflächen nicht ausgeschlossen. Da in diesem Zusammenhang in erster Linie der Ball als potenzielles Medium infrage kommt, wurden zusätzlich alle Kontakte des Balls mit der Hand ermittelt. Wie sich herausstellte, gab es bei Feldspielern nicht mehr als acht Hand-Ball-Kontakte pro Stunde. Angesichts dieser recht niedrigen Häufigkeit und vor dem Hintergrund, dass Oberflächenübertragungen von SARS-CoV-2 generell als unwahrscheinlich angesehen werden, wurde der Infektionsweg Ball von den Autoren praktisch ausgeschlossen.

Diese Symptome charakterisieren die Krankheit

Bei 62 der 165 eingeschlossenen Spieler wurden mindestens zwei COVID-19-typische Symptome gemeldet (ABB. 01), wobei der Krankheitsverlauf als leicht bis mittelschwer eingeschätzt wurde. Am häufigsten klagten die betroffenen Spieler über Erschöpfung, Fieber und Gliederschmerzen. Bei einem nicht unerheblichen Teil äußerte sich die Krankheit auch durch Kopfschmerzen, Geschmacksverlust und Husten.

Limitationen

Die Studie unter Leitung von Dr. Florian Egger und Kollegen wurde zwischen August 2020 und März 2021 durchgeführt und betrachtet somit den Zeitraum der zweiten und dritten Infektionswelle der COVID-19-Pandemie. Während sich zu dieser Zeit die sogenannte britische Variante gerade auf dem Vormarsch befand, war die hochansteckende Delta-Variante in Deutschland erst gegen Ende des Studienzeitraums präsent. Daher sind die Ergebnisse möglicherweise nur begrenzt auf die Delta-Variante übertragbar. Die Ergebnisse im Amateur- und Jugendbereich basieren etwa zur Hälfte auf der Überwachung COVID-19-spezifischer Symptome (ABB. 01). Daher ist es möglich, dass eine bestimmte Anzahl asymptomatischer Infektionen, die in der Allgemeinbevölkerung auf 20% bis 40% geschätzt wird, nicht entdeckt wurde.

Die Inhalte basieren auf der Originalstudie „Risk of SARS-CoV-2 transmission from on-field player contacts in amateur, youth and professional football“, die 2021 im „British Journal of Sports Medicine" veröffentlicht wurde.


Anmerkung zum Sprachgebrauch: Im obigen Text wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit in der Regel nur die männliche Form verwendet. Es sind damit alle Personen unabhängig von ihrem Geschlecht gemeint.

Literatur

  1. Schreiber, S., Faude, O., Gärtner, B., Meyer, T., & Egger, F. (2021). Risk of SARS-CoV-2 transmission from on-field player contacts in amateur, youth and professional football (soccer). Br J Sports Med, bjsports-2021-104441. Advance online publication.
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