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Medikamenteneinsatz bei den FIFA-Weltmeisterschaften

Es ist Zeit, den hohen Medikamenteneinsatz zu hinterfragen

Athletik
Medizin
Der Fußballer Tony Roberts aus Dagenham bekommt während eines Spiels eine Tablette angereicht. (Photo by Dan Istitene/Getty Images)
    • 77 % Medikamenteneinnahme bei den WMs 2002 - 2014 der Männer.
    • 85 % Medikamenteneinnahme bei den WMs 2003 und 2007 der Frauen.
    • 51 % Medikamenteneinnahme bei den U17-/U20-WMs 2005 und 2007.
    • Gesundheitsschädigung durch Nebenwirkungen.
    • Überlastung infolge eines verringerten Schmerzempfindens.
Abstract

Die Analyse der Fußball-Weltmeisterschaften zeigt eine alarmierende Zahl von Medikamenteneinnahme von durchschnittlich ca. 77 % der Spieler (9.125 von 11.776 Spielern) innerhalb des Zeitraums von 72 Stunden vor dem Spiel. Die Anwendung bei den Weltmeisterschaften der Frauen liegt mit 85 % sogar noch höher. Bei den Weltmeisterschaften der U17- und U20-Mannschaften nimmt etwa die Hälfte der Spieler Medikamente ein. Überwiegend handelt es sich um Mittel, die schmerzlindernd, entzündungshemmend und fiebersenkend wirken.

Im folgenden Podcast spricht Prof. Jiří Dvořák über das Thema "Mit Medikamenten fit zum Spiel?":

Hohe Medikamenteneinnahme bei WMs der Männer

Drei von vier Spielern nehmen Medikamente vor Spielen ein. Einbezogen ist der Zeitraum der letzten 72 Stunden vor dem Spiel. Im Durchschnitt ergibt sich für die Fußball-Weltmeisterschaften von 2002 bis 2014 eine Einnahme von 77 % pro Spieler und Spiel (s. Tab. 01). Die Anwendung liegt in diesen Zeitraum auf gleichbleibend hohen Niveau.

In der Tabelle ist der prozentuale Anteil an Spielern zu sehen, die während der Weltmeisterschaften 2002-2014 Medikamente eingenommen haben. Insgesamt ist ein Mittelwert von 77% aufgezeigt.
In der Tabelle ist der prozentuale Anteil an Spielern zu sehen, die während der Weltmeisterschaften 2002-2014 Medikamente eingenommen haben. Insgesamt ist ein Mittelwert von 77% aufgezeigt.

Dokumentiert sind die Informationen durch das FIFA Kontroll- und Forschungszentrum (F-MARC). Es wurde im internationalen Sport als erstes medizinische Zentrum eingerichtet und nahm die Arbeit seit den Weltmeisterschaften 1998 auf. Im Rahmen von F-Marc wurde unter anderem der Medikamenteneinsatz bei den Fußballturnieren der FIFA untersucht [1]. Im Zusammenhang mit den Dopingkontrollen nach dem Spiel wurden bei den FIFA-Turnieren die Angaben der Teamärzte aufgenommen:

  • jegliche Medikamenteneinnahme des Spielers innerhalb von 72 Stunden vor dem Spiel, einschließlich
  • jeglicher Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel, die ohne ärztliches Rezept eingenommen worden sind [2].
Auf dieser Grundlage wird rückblickend für die Weltmeisterschaften 2002 bis 2014 die Medikamenteneinnahme untersucht. Für diesen Zeitraum hat sich die Einnahme sowohl in der Höhe als auch in der Verteilung der Wirkstoffgruppen kaum verändert. Bei der am häufigsten verschriebenen Wirkstoffgruppe handelt es sich um nichtsteroidale entzündungshemmende Medikamente, sogenannte NSAIDs. Am zweithäufigsten werden Medikamente zur Unterstützung der Atmung eingesetzt. Es folgen Schmerzmittel der Analgetika-Wirkstoffgruppe sowie Injektionen (s. Abb. 01).

Die Abbildung zeigt ein Tortendiagramm, welches die Verteilung der Art der verschriebenen Medikamente während der WM 2002-2014 verdeutlicht. Fast die Hälfte wird hierbei von NSAIDs eingenommen.
Die Abbildung zeigt ein Tortendiagramm, welches die Verteilung der Art der verschriebenen Medikamente während der WM 2002-2014 verdeutlicht. Fast die Hälfte wird hierbei von NSAIDs eingenommen.
Die Medikamenteneinnahme bei WMs der Frauen übertrifft die Einnahme bei WMs der Männer

Fast neun von zehn Spielerinnen nehmen bei den Fußball-Weltmeisterschaften 2007 Medikamente ein. Einbezogen ist der Zeitraum der letzten 72 Stunden vor dem Spiel. Deutlich wird eine Steigerung um acht Prozent gegenüber dem bereits hohen Wert der Weltmeisterschaften von 2003. Für beide Turniere resultiert schließlich eine Einnahme von durchschnittlich 85 % pro Spielerin und Spiel (s. Tab. 02).

Die Tabelle zeigt den prozentualen Anteil an Spielerinnen, die während der WM 2003 und 2007 Medikamente eingenommen haben. Der Mittelwert liegt bei 85%.
Die Tabelle zeigt den prozentualen Anteil an Spielerinnen, die während der WM 2003 und 2007 Medikamente eingenommen haben. Der Mittelwert liegt bei 85%.

In die Analyse sind Verhütungsmittel selbst nicht als Medikamente einbezogen. 14,9 % der Spielerinnen geben an, orale Verhütungsmittel zu nutzen. Diese kämen in die Statistik als weitere Medikamente noch hinzu. Zur am häufigsten verschriebenen Wirkstoffgruppe zählen wie bei den Männern nichtsteroidale entzündungshemmende Medikamente, sogenannte NSAIDs (s. Abb. 02). Es folgen Medikamente zur Unterstützung der Atmung sowie Schmerzmittel der Analgetika-Gruppe. Darüber hinaus kommen Medikamente für den Magen-Darm-Trakt sowie antibakterielle Medikamente zur Anwendung. Im Vergleich zu den Männern werden deutlicher weniger Injektionen vorgenommen. Ebenso fällt die Einnahme von Psychopharmaka deutlich geringer aus.

Die Abbildung zeigt ein Tortendiagramm, dass die Art der Medikamente aufzeigt, die während der Weltmeisterschaften der Frauen 2003-2007 verschrieben wurden. Einen großen Teil nehmen hierbei NSAIDs ein, desweiteren die Atmung betreffende und andere Medik
Die Abbildung zeigt ein Tortendiagramm, dass die Art der Medikamente aufzeigt, die während der Weltmeisterschaften der Frauen 2003-2007 verschrieben wurden. Einen großen Teil nehmen hierbei NSAIDs ein, desweiteren die Atmung betreffende und andere Medikamente.
Hälfte der Juniorenspieler nahm Medikamente bei den U17-/U20-WMs 2005 und 2007 ein

Alarmierende Angaben finden sich zu den Turnieren der U17- und U20-Weltmeisterschaften von 2005 und 2007. Demnach nimmt die Hälfte der jugendlichen Spieler Medikamente ein (s. Tab. 03). Der Durchschnitt liegt bei 51,5 bzw. 50,5 %. Die Analyse zeigt für beide Altersgruppen einen geringeren Medikamenteneinsatz bei den Weltmeisterschaften 2007 gegenüber 2005.

Die Tabelle zeigt zum einen die Medikamenteneinnahme der U-17 Spieler während der Weltmeisterschaften 2005 und 2007. Der Mittelwert liegt hier bei 51,5%. Zum anderen ist die Medikamenteneinnahme der U-20 Spieler während der Weltmeisterschaften 2003 und
Die Tabelle zeigt zum einen die Medikamenteneinnahme der U-17 Spieler während der Weltmeisterschaften 2005 und 2007. Der Mittelwert liegt hier bei 51,5%. Zum anderen ist die Medikamenteneinnahme der U-20 Spieler während der Weltmeisterschaften 2003 und 2007 aufgezeigt. Der Mittelwert hierbei liegt bei 50,5%.

Der größte Anteil entfällt wie bei den Erwachsenen auf die nichtsteroidalen entzündungshemmenden Medikamente, sogenannte NSAIDs (s. Abb. 03). Die Anwendung antibakterieller Medikamente nimmt im Vergleich zu den Erwachsenen einen größeren Anteil ein. Es folgen Medikamente zur Unterstützung der Atmung sowie zur Unterstützung der Muskelentspannung. Darüber hinaus werden Medikamente für den Magen-Darm-Trakt sowie Schmerzmittel der Analgetika-Wirkstoffgruppe eingesetzt.

Die Abbildung zeigt ein Tortendiagramm, in dem die Verteilung der Arten von Medikamenten dargestellt werden, die während der Weltmeisterschaften 2005-2007 an U17 und U20 Spielern verschrieben wurden. Den größten Anteil bilden die NSAIDs, mit weiterem A
Die Abbildung zeigt ein Tortendiagramm, in dem die Verteilung der Arten von Medikamenten dargestellt werden, die während der Weltmeisterschaften 2005-2007 an U17 und U20 Spielern verschrieben wurden. Den größten Anteil bilden die NSAIDs, mit weiterem Abstand gefolgt von antimikrobiellen und der Atmung betreffenden Medikamenten.
Gesundheitsschädigung durch Nebenwirkungen

Für die untersuchten internationalen Turniere ist eine generell sehr hohe Medikamentenanwendung festzuhalten, die auf eine Übermedikation hinweist. Der größte Anteil entfällt auf nichtsteroidale entzündungshemmende Medikamente (NSAIDs). Diese Mittel werden von den Teamärzten überwiegend oral verabreicht. Andere Schmerzmittel, wie zum Beispiel aus der Analgetika-Wirkstoffgruppe werden im Vergleich zu den NSAIDs viel weniger verordnet. Die genannten Mittel wirken schmerzlindernd, entzündungshemmend und fiebersenkend.
Während der untersuchten Turniere nehmen 54,5 % der Männer (6418 von 11776 Spielern) und 50,9 % der Frauen (1336 von 2624 Spielerinnen) mindestens einmal Schmerzmittel der NSAIDs-Wirkstoffgruppe ein. Das entspricht mehr als sieben Spielerinnen/Spielern pro Team. Bei den jugendlichen Spielern sind es 43,3 % (3392 von 7832 Spielern). Das heißt, zwischen vier und fünf Spielern jedes U17/U20-Teams haben nichtsteroidale entzündungshemmende Medikamente vor dem Spiel eingenommen.

Bis zu einem Drittel aller Spieler nutzt vor jedem Spiel nichtsteroidale entzündungshemmende Medikamente, unabhängig davon, ob sie spielen oder nicht.

Allgemein gibt es keinen Unterschied in der Anwendung von Medikamenten von Spielern mit Einsatz über die komplette Spieldauer gegenüber Aus-/Einwechselspielern bzw. Spielern ohne Einsatz. Im Ergebnis kann kein Zusammenhang zwischen gemeldeten Verletzungen und der gemeldeten Medikamenteneinnahme festgestellt werden.
Ein weiteres Ergebnis macht deutlich, dass zehn Prozent der Spielerinnen/Spieler sogar mehr als eine Art von Schmerzmittel der NSAIDs-Wirkstoffgruppe einnimmt. Das geht mit einem gesteigerten Risiko an potenziell schädlichen Nebenwirkungen sowie Spätfolgen einher [3]. Als Nebenwirkungen derartiger Medikamente sind bekannt:

  • Verzögerung der Knochenheilung,
  • Abnahme der Proteinsynthese,
  • Verringerung der Durchblutung bindegewebiger Strukturen sowie
  • Verringerung der Regeneration des Skelettmuskels nach der Trainingsbelastung.

Überlastung infolge eines verringerten Schmerzempfindens

Die Einnahme nichtsteroidaler entzündungshemmender Medikamente der NSAIDs-Wirkstoffgruppe toleriert eine frühere Mobilisierung und Gewichtsbelastung nach Bänderverletzungen des Sprunggelenks. Nicht zuletzt durch die Verringerung des Schmerzempfindens wird durch die NSAIDs-Gabe ein schnellerer Wiedereinstieg in das Training und den Spielbetrieb ermöglicht. Allerdings kann dies mit Schwellungen, erhöhter Anfälligkeit der Bänderstabilität und reduzierter Beweglichkeit des Sprunggelenks einhergehen [4].

Zusammenfassend ergibt sich die Notwendigkeit, eine kurzzeitige Anwendung nichtsteroidaler entzündungshemmender Medikamente (NSAIDs) zu prüfen. Sie muss stets als Einzelfallentscheidung durch den Teamarzt getroffen werden. Eine langfristige Anwendung gilt nachweislich als problematisch. Eine Aufklärung über Nebenwirkungen sowie Spätfolgen eines nicht angezeigten Medikamenteneinsatzes stellt eine wichtige Aufgabe dar. Ein Ansatz besteht in der Warnung vor Schäden durch übermäßige Medikamenteneinnahme über internationale Kampagnen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist von einem weiten Medikamenteneinsatz auszugehen. Die Untersuchung beruht lediglich auf den Angaben der Medikamente innerhalb der 72 Stunden vor dem Spiel bei den FIFA-Weltmeisterschaften. Schließlich ist von noch höheren Einnahmen auszugehen, wenn man die Möglichkeiten der Selbstmedikation durch den Spieler berücksichtigt oder wenn Teamärzte bereits verschriebene Medikamente nicht in den veröffentlichten Berichten angegeben haben. Generell ist der hohe Medikamenteneinsatz bei den Turnieren zu hinterfragen, der die Frage nach einem Routineeinsatz aufwirft.

Autoren des Textes sind Prof. Jiří Dvořák von der Schulthess Klinik Zürich und Dr. Philippe Tscholl vom Hôpitaux Universitaires Genève. Die Inhalte basieren auf der Originalstudie "High prevalence of medication use in professional football tournaments including the World Cups between 2002 and 2014: a narrative review with a focus on NSAIDs.", die 2015 im "British Journal of Sports Medicine" veröffentlicht wurde.

Literatur

  1. Tscholl, P. M., Vaso, M., Weber, A., & Dvorak, J. (2015). High prevalence of medication use in professional football tournaments including the World Cups between 2002 and 2014: a narrative review with a focus on NSAIDs. Br J Sports Med, 49(9), 580-582.
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    1. Tscholl, P. M., Vaso, M., Weber, A., & Dvorak, J. (2015). High prevalence of medication use in professional football tournaments including the World Cups between 2002 and 2014: a narrative review with a focus on NSAIDs. Br J Sports Med, 49(9), 580-582.

    2. FIFA, Fédération Internationale de Football Association. FIFA Anti-Doping Regulations. 2015.

    3. Tscholl, P. M., Gard, S., & Schindler, M. (2016). A sensible approach to the use of NSAIDs in sports medicine. Swiss Sports & Exerc Med;65(2);15–20.

    4. Slatyer MA, Hensley MJ, Lopert R. A randomized controlled trial of piroxicam in themanagement of acute ankle sprain in Australian Regular Army recruits. The Kapooka Ankle Sprain Study. Am J Sports Med 1997;25:544–53.