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Kognitive Leistung und Spielintelligenz: Ein Zusammenhang?

Einzelstudie untersucht kognitive Leistung mit Torvorlage, Toren und Spielintelligenz

Sie sehen Ismail Jakobs aus Deutschland passen während des Qualifikationsspiels der UEFA Euro U21 zwischen der belgischen U21 und der deutschen U21.
    • Nationalspieler*innen erzeugen mehr richtige Ergebnisse im Design-Fluency-Test als Nicht-Nationalspieler*innen.
    • Zwischen Anzahl richtiger Ergebnisse in Design-Fluency-Test und vom Trainer eingeschätzter Spielintelligenz sowie Torvorlagen existiert ein moderater Zusammenhang.
    • Es kann keine Kausalität angenommen werden, deshalb sind die Ergebnisse mit Vorsicht zu verstehen.
Abstract

Inwiefern Sportler*innen bessere kognitive Leistungen zeigen als Nicht-Sportler*innen wird seit Jahren analysiert – mit unterschiedlichen Ergebnissen. In der vorliegenden Studie untersuchten Wissenschaftler*innen 51 Fußballspieler*innen der schwedischen ersten Liga, von denen 23 auch in einer Nationalmannschaft spielten. Dabei wurde die Leistung der Spieler*innen in einem kognitiven Test (Design-Fluency-Test), welcher kognitive Flexibilität und Kreativität zu messen vorgibt, in Zusammenhang gesetzt mit Maßen der Spielintelligenz (Trainereinschätzung und Anzahl Torvorlagen/Tore). Es zeigt sich, dass Nationalspieler*innen im Design-Fluency-Test besser abschneiden als diejenigen, die nicht für eine Nationalmannschaft nominiert wurden. Zudem existiert ein moderater Zusammenhang der Leistung im Design-Fluency-Test mit der Trainereinschätzung zur Spielintelligenz sowie der Anzahl der Torvorlagen. Es konnte kein Zusammenhang zwischen der Leistung im Design-Fluency-Test und der Anzahl der Tore gezeigt werden und die Fußballspieler*innen waren schneller beim Absolvieren des Tests als die Norm, zeitgleich allerdings auch weniger genau. In Summe bleibt der genaue Zusammenhang zwischen kognitiven Faktoren und fußballerischer Leistung unklar, weshalb weitere Studien in diesem Zusammenhang wünschenswert sind.

Kognitive Leistung und fußballerischer Erfolg: Ein Zusammenhang?

Seit vielen Jahren untersuchen Wissenschaftler1, inwiefern kognitive Komponenten mit fußballerischer Leistung zusammenhängen. In diesem Zuge erhalten insbesondere die sogenannten Exekutiven Funktionen (Arbeitsgedächtnis, Inhibition, kognitive Flexibilität) sowie Kreativität erhöhte Aufmerksamkeit, da Fußallspieler im Spiel viele Informationen unter Zeitdruck verarbeiten (z. B. Verhalten des Gegners beim Konter), automatische Reaktionen unterdrücken (z. B. bei einer Finte des Gegners), schnell reagieren (z. B. auf Zuruf eines Mitspielers) und mit hoher Genauigkeit (z. B. bei einem Pass) agieren müssen. Dabei konnte in manchen Studien gezeigt werden, dass Leistungssportler Menschen ohne leistungssportlichen Hintergrund in kognitiven Fertigkeiten überlegen sind [z. B. 1, 2], während dieser Unterschied in anderen Studien nicht gezeigt werden konnte [z. B. 3, 4]. Dies nahm ein Forscherteam zum Anlass, 51 schwedische Fußballspieler (19 Männer, 32 Frauen) der schwedischen ersten Fußballliga (Allsvenskan) zu untersuchen, von denen 23 auch für ihre Nationalmannschaft spielen. Dabei erfassten sie sowohl die „objektive“ fußballerische Leistung (Anzahl Assists und Tore) als auch die vom jeweiligen Trainer eingeschätzte Spielintelligenz. Diese Informationen setzte das Forscherteam in Zusammenhang mit den Ergebnissen der Spieler im Design-Fluency-Test (s. unten). Dabei interessierten sich die Wissenschaftler vor allem dafür, ob die Spieler besser abschneiden im Test als die Normalbevölkerung und ob die Testergebnisse mit den oben genannten fußballerischen Leistungen zusammenhängen.

Der Design-Fluency-Test: klinischer Test eingesetzt im Sport

Der Design-Fluency-Test (DFT) ist Bestandteil der größeren, neuropsychologischen Testbatterie Delis-Kaplan Exekutive Funktionen Textbatterie (D-KEFS), welche 2001 entwickelt wurde und  im klinischen Bereich verbreitet eingesetzt wird, um kognitive Defizite festzustellen [1]. Beim DFT handelt es sich um einen nicht-verbalen Test, der als Papierversion oder auf einem Touchpad durchgeführt werden kann. Die grundsätzliche Aufgabe besteht darin, vier der gezeigten Punkte innerhalb von 60 Sekunden mit möglichst vielen verschiedenen Mustern zu verbinden. Dabei durchlaufen die Teilnehmenden drei Bedingungen mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad (siehe ABB. 01).

Sie sehen den Design-Fluency-Test mit drei Schwierigkeitsstufen.
Nationalspieler besser als Erstliga-Spieler besser als die Norm

Die Ergebnisse zeigen zum einen, dass die Fußballspieler im Design-Fluency-Test mehr richtige Muster zeichneten im Vergleich zur Norm. Dabei waren die Nationalspieler nochmal signifikant besser als die Spieler, welche „lediglich“ in der schwedischen 1. Liga spielten. Interessanterweise zeigt sich dabei in den drei Bedingungen des Design-Fluency-Tests, dass sich die Nationalspieler von Erstliga-Spielern nur in der dritten Bedingung unterschieden. Bei genauerer Analyse zeigt sich zudem, dass die Fußballspieler zusammengenommen signifikant schneller (d. h. insgesamt mehr Muster gezeichnet haben), dabei allerdings signifikant weniger genau (d. h. mehr fehlerhafte Muster) waren als die Norm.

Nationalspieler werden als spielintelligenter wahrgenommen

Die jeweiligen Trainer schätzten ihre Fußballspieler bezüglich ihrer Spielintelligenz (Skala von 0-10) ein. Dabei zeigt sich – nicht überraschend – dass Nationalspieler als spielintelligenter wahrgenommen werden als Erstliga-Spieler. Interessanterweise stellte das Forscherteam in einer weiteren Analyse fest, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen den Ergebnissen im Design-Fluency-Test und der Spielintelligenz gibt. Das heißt, dass Spieler mit mehr richtigen Mustern im Design-Fluency-Test tendenziell auch als spielintelligenter wahrgenommen werden.

Vorlagen, aber nicht Tore hängen mit Design-Fluency-Testergebnissen zusammen

Das Forscherteam untersuchte ebenfalls den Zusammenhang zwischen der Leistung im Design-Fluency-Test und Torvorlagen sowie erzielten Toren über 48 Spiele einer Saison hinweg. Auf Basis statistischer Zusammenhangsmaße haben Spieler mit mehr richtigen Mustern im Design-Fluency-Test auch tendenziell mehr Torvorlagen kreiert. Dieser Zusammenhang konnte für erzielte Tore nicht gefunden werden.

Vorsicht bei Überinterpretation und Ableitung für die Praxis

Die Ergebnisse können in die Richtung interpretiert werden, dass die untersuchten Nationalspieler bei komplexeren Aufgaben (hier Bedingung 3 im Design-Fluency-Test) besser abschneiden als schwedische Erstliga-Spieler und eine bessere Leistung im Design-Fluency-Test mit einer erhöhten Anzahl an Torvorlagen (aber nicht Toren) und höherer Spielintelligenz einhergeht. Allerdings ist bei der Interpretation Vorsicht geboten, da:

  • (A) ein Zusammenhang nicht auf eine Wirkrichtung hinweist,
  • (B) die Spielintelligenz lediglich über das Trainerurteil erfasst worden ist,
  • (C) die Nationalspieler in 14 verschiedenen Nationalmannschaften spielten und
  • (D) die Normwerte sich auf ältere Daten (Jahr 2001) aus der US-Bevölkerung beziehen und sich im Laufe der Zeit geändert haben könnten.  

Deshalb könnten sich exekutive Funktionen im Fußball dergestalt verhalten, dass ein bestimmtes kognitives Niveau erforderlich ist, um langfristig erfolgreich Fußball spielen zu können, darüberhinausgehend allerdings jede Verbesserung der exekutiven Funktionen nicht mit einer Verbesserung im Fußball im Zusammenhang steht (sog. Schwellenhypothese (Threshold Hypothesis, [2]). In diesem Sinne stellen kognitive Faktoren ein Bestandteil fußballerischer Leistung dar – unter anderem zusammen mit physiologischen technischen Faktoren.

Die Inhalte basieren auf der Originalstudie „Level of play and coach-rated game intelligence are related to performance on design fluency in elite soccer players”, die 2020 im Journal “Scientific Reports” veröffentlicht worden ist.

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1 Anmerkung zum Sprachgebrauch: Im Folgenden wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit in der Regel nur noch die männliche Form verwendet. Es sind damit alle Personen unabhängig von ihrem Geschlecht gemeint.

Literatur

  1. Vestberg, T., Jafari, R., Almeida, R. et al. Level of play and coach-rated game intelligence are related to performance on design fluency in elite soccer players. Sci Rep 10, 9852 (2020).
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    1. Stephens, T. L. (2014). The assessment of executive functioning using the delis-kaplan executive functions system (D-KEFS). In Handbook of executive functioning (pp. 209-222). Springer, New York, NY.

    2. Beavan, A., Spielmann, J., Mayer, J., Skorski, S., Meyer, T., & Fransen, J. (2020). The rise and fall of executive functions in high-level football players. Psychology of Sport and Exercise, 101677.

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