Kolumne
Schönweitz: "Es geht darum, kreative Lösungen zu finden"
Der Cheftrainer der U-Nationalmannschaften, Meikel Schönweitz, blickt in seiner DFB.de-Kolumne zurück auf die Spielzeit 2021/2022, analysiert Fakten und Hintergründe zum Abschneiden der DFB-Teams und erklärt, warum er optimistisch auf die neue Saison schaut.
Rückblick
Wieder neigt sich ein intensives Fußballjahr dem Ende zu. Auch die Saison 2021/2022 hielt einige Herausforderungen für uns bereit. So hatten wir im Übergang und zu Beginn der neuen Saison mit Mike Büskens (Co-Trainer Schalke 04), Steven Cherundolo (Co-Trainer L.A. Galaxy), Andreas Beck (U 15-Trainer SC Freiburg), Stefan Kuntz (Nationaltrainer Türkei) einige Abgänge im Trainerteam zu verzeichnen. Diese zu kompensieren war unsere erste Aufgabe. Heute können wir sagen, dass uns dies mit den Verpflichtungen von Mario Himsl, Jens Bauer, Jens Nowotny und Hermann Gerland bestens gelungen ist.
Während der Saison hat uns die Corona-Pandemie einige Hürden in den Weg gestellt. Unserem Credo, solche Bedingungen als Chancen zu sehen, konnten wir aber auch in diesen Situationen gerecht werden. So haben wir kurzfristige Ausfälle in unserem Trainerteam dazu genutzt, den Austausch mit den Trainerinnen unserer weiblichen U-Nationalmannschaften zu intensivieren, indem wir einzelne Kolleginnen in Lehrgängen ins Trainerteam einbauten.
Sportlich enttäuschend war sicherlich die verpasste Qualifikation der U 19, die sich in Ihrer Qualigruppe gegen Italien, Belgien und Finnland nicht durchsetzen konnte. Ebenso bitter war das knappe Ausscheiden der U 17 in einem dramatischen Elfmeterschießen im Viertelfinale der EM gegen den späteren Europameister Frankreich. Nicht nur aufgrund der unbefriedigenden Ergebnisse in diesen beiden Jahrgängen analysieren wir unsere Arbeit stets sehr detailliert und hinterfragen uns ständig, wo wir im Trainerteam ansetzen und uns verbessern können. Wichtig ist uns nämlich, dass wir die Arbeit der Trainer nicht nur an Ergebnissen messen, sondern daran, ob wir die Spieler bestmöglich entwickeln und auf das vorbereiten, was sie später im Seniorenbereich – bestenfalls bei den Profis – erwartet. Was das angeht, leisten die beteiligten Trainerteams hervorragende Arbeit. In der U 21 wurde diese Arbeit auch mit Ergebnissen deutlich. So konnte sich unser ältestes Ausbildungsteam trotz ständiger personeller Herausforderungen mit neun Siegen in zehn Spielen souverän für die EM im kommenden Jahr qualifizieren.
Fakten
Neben der inhaltlichen, qualitativen Bewertung gibt es auch immer die Möglichkeit, Zahlen und Statistiken heranzuziehen, um die Leistung einer Mannschaft etwas sichtbarer zu machen. Die U-Nationalmannschaften von der U 15 bis zur U 21 absolvierten in der vergangenen Saison 78 Spiele. 30 davon waren Pflichtspiele in Form von Qualifikationsspielen oder EM-Endrundenspielen. Dabei standen 21 Siege, sechs Unentschieden und lediglich drei Niederlagen zu Buche. Das ergibt einen Punkteschnitt von 2,3 bei einem Torverhältnis von durchschnittlich 2,7:0,97.
Mit diesen Statistiken hätte man in allen großen europäischen Ligen, außer in England, die Meisterschaft geholt. Am Ende zählt es aber, in den entscheidenden Spielen da zu sein und u.a. hier müssen wir ansetzen. Unsere im Rückblick erwähnte Kernaufgabe bleibt es, Spieler auf den Seniorenbereich vorzubereiten. Mit den Debüts von Florian Wirtz, Karim Adeyemi, David Raum, Lukas Nmecha, Nico Schlotterbeck und Anton Stach, die allesamt in dieser Saison von der U 21 zur A-Nationalmannschaft aufgerückt sind, ist das in einer außergewöhnlichen Zahl gelungen.
Ziel des Team DFB – also aller 21 U-Nationaltrainer und der sportlichen Leitung – ist es allerdings auch, nicht nur eigene U-Teams besser zu machen, sondern Impulse für das gesamte Fußballsystem zu liefern. Die Nationalmannschaften repräsentieren schließlich die Arbeit aller Förderstrukturen in Deutschland und spiegeln den aktuellen Stand der Talentförderung wider. Erfolge sind das Ergebnis gemeinsamer, zielgerichteter Arbeit im Sinne der Talente. Dabei geht es nicht um "Besserwisserei", sondern um die Möglichkeit, das vorhandene Wissen in alle Strukturen zu tragen und die Vereine, Verbände und Institutionen in Ihrer Arbeit zu unterstützen.
Das Team DFB hat daher in der vergangenen Saison neben den DFB-Lehrgängen knapp 1100 Spiele gescoutet, zahlreiche Vereinsbesuche und Hospitationen absolviert, Fortbildungsmöglichkeiten wahrgenommen, Projekte vorangetrieben (u.a. positionsspezifische Programme, Verbesserung der intuitiven Spielkompetenz, Lernen von Legenden), Demotrainingseinheiten an DFB-Stützpunkten, in Landesverbänden und in Amateurvereinen absolviert, die Trainerausbildung und Stiftungen unterstützt sowie viele Termine im Amateurfußball wahrgenommen.
Ausblick
Inhaltlich haben wir in den vergangenen Jahren in der Arbeit unserer Trainer und mit unseren Teams vieles vorangetrieben. In der zurückliegenden Saison war dies vor allem die Trainingsarbeit und dabei speziell eine gute Ressourcennutzung und eine optimale Aufteilung im Trainerteam, um viel individueller mit den Spielern zu arbeiten. Hier noch besser zu werden, ist unser klarer Anspruch. Genau wie die weitere Unterstützung aller Strukturen, die an der Ausbildung von Jugendspielern beteiligt sind. Nur gemeinsam können wir den einzelnen Spieler besser machen!
Auch im Übergang zur neuen Saison werden wir Abgänge haben. Das Ausscheiden von Peter Hermann (Co-Trainer BVB), Rene Rydlewicz (Einstieg in den Lehrberuf) und Engin Yanova (Bayrischer Fußballverband) werden wir durch Lars und Sven Bender sowie Daniel Stredak kompensieren. Wir sind sicher, dass wir auch in einem Jahr behaupten können, die Abgänge bestens aufgefangen und mit den Personalentscheidungen unseren Spielern, unserer Arbeit und dem System neue Impulse geliefert zu haben.
Herausforderungen, die wir aktuell vielleicht noch nicht vorhersehen können, wird es auch weiterhin geben. Auch für diese werden wir kreative Lösungen finden. Bei allen Fakten, die wir immer mal wieder ansprechen, bei allen Schwierigkeiten, die auf uns zukommen, gibt es keine Alternative zum Optimismus. Es geht darum, Lösungen zu finden und diese anzuwenden. Wenn wir Jugendspielern für Ihre Persönlichkeit etwas mit auf den Weg geben wollen, dann müssen wir es auch vorleben. Denn das Reden über Probleme schafft Probleme, das Reden über Lösungen schafft Lösungen.